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Blutsgeschwister

Blutsgeschwister

Titel: Blutsgeschwister
Autoren: Dia Reeves
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zu. ›Euer Vater ist der Teufel persönlich, und ihr Mädchen seid Teufelsbrut. Anstelle unschuldiger, gottesfürchtiger Christen hätte er euch töten sollen.‹«
    Fancy zeigte Kit den Brief. Die wütenden dunklen Striche waren auf das Notizpapier gemeißelt. » Das denken die Leute über uns. Und Madda will, dass wir denken, diese Leute würden etwas bedeuten. Stimmt was nicht?«
    Kit spielte wieder mit ihrem goldenen Springmesser und stieß es in den Tisch. »Glaubst du, Daddy wollte uns umbringen?«
    »Daddy zu verstehen ist ungefähr so schwer wie Pudding an die Wand zu nageln.« Fancy drehte sich weg und tauschte »Dinah Lee« gegen Cole Porters »Anything Goes«. Sie hasste es, wenn Kit sich in Daddys möglichen Motiven verbiss – man konnte stundenlang darüber reden und nachdenken, und es würde zu nichts führen. Daddy war ein Mysterium.
    »Das kann er nicht gewollt haben«, sagte Kit mehr zu sich selbst. »Das wäre ihm garantiert nicht leichtgefallen. Tief innendrin muss er gewusst haben, dass wir genau wie er sind, und deshalb hat er uns leben lassen.«
    »Er hat Madda leben lassen. Sie ist nicht wie wir.«
    »Sie ist nicht wie wir, und sie mag uns nicht. Sonst würde sie nicht versuchen, uns zu trennen.«
    Fancy griff nach Kits flatternden Händen und zwang sie, ruhig zu sein. »Du darfst so nicht reden, Kit.«
    »Selbst wenn Madda uns mag, sie mag nicht wirklich uns . Wenn sie wüsste, wie wir wirklich sind, würde sie uns hängen lassen, so wie sie Daddy hat hängen lassen.« Fancy spürte, wie die Spannung Kits Hände verließ. »Wenigstens hab ich dich und Franken.«
    Fancy ließ Kits Hände fallen, als wären sie mit einem Mal radioaktiv. » Franken?«
    »Bei ihm kann ich auch ich selbst sein.« Kit sah sie überrascht an. »Was soll man daran nicht lieben?«
    »Du liebst ihn nicht«, sagte Fancy scharf. »Du liebst es, an ihm herumzuschneiden . Bring das mal nicht durcheinander.«
    Kit legte ihr Messer weg und goss sich Tee nach. »Also, eine Sache bringe ich nicht durcheinander: Nichts wird uns je auseinanderbringen. Kurse nicht, Madda nicht, Jungs nicht.«
    »Der Tod nicht«, fügte Fancy hinzu und war froh, dass Kit so vernünftig sprach.
    Kit erhob ihre pinkfarbene Tasse und prostete Fancy zu. »Nicht einmal der Tod. Nicht einmal Frankens Tod.«
    Fancy stöhnte. »Fang nicht schon wieder damit an.«
    »Du hast selbst gesagt, dass wir Franken nicht für immer behalten können«, beharrte Kit. »Früher oder später müssen wir ihn irgendwie loswerden.«
    Fancy nippte nachdenklich an ihrem Tee. Es war faszinierend, wie Kit im selben Atemzug von Liebe und Töten sprechen konnte. Aber nicht faszinierend genug, um sie etwas Dummes tun zu lassen. »Wir haben doch diese ganzen medizinischen Bücher, richtig? Vielleicht können wir da nachlesen, wie wir den Teil von Frankens Gehirn rausschneiden, der sich an Sachen erinnert. Dann wird er nicht mehr wissen, dass er hier war. Und wir müssen nicht ins Gefängnis.«
    »Eine Lobotomie?« Kit warf Fancy einen überraschten und bewundernden Blick zu. »Warum kann dir nicht immer so etwas Großartiges einfallen?«
    »Bring mir mehr Geiseln«, sagte Fancy, »und ich schreibe dir eine Liste mit lustigen Dingen, die wir mit ihnen machen können.«
    »Oh, toll!« Kit sprang auf.
    »Das war ein Scherz.«
    Kit ließ sich wieder auf ihren Hocker fallen und öffnete den nächsten Brief. »Spielverderberin.«
    Ein paar Tage später konnte Fancy Kit endlich dazu überreden, mit ihr zum Bony Creek zu gehen. Die Schwestern stellten ihre Fahrräder in der Nähe des sich langsam dahinschlängelnden Wassers ab. Der Bach verlief tief im Wald, etwa eine halbe Meile von ihrem Haus entfernt. Das dichte Blätterdach filterte die grelle Nachmittagssonne, sodass das Licht, das auf den Waldboden drang, kühl und grün und harmlos war.
    Die Schwestern glitten zwischen den Bäumen hindurch. Sie sahen aus, als hätte der Waldboden sie geboren: Ihre rotbraune Haut hatte die Farbe von Herbstlaub, und ihre Augen waren wie die der Rehe, die manchmal zum Fressen in ihren Gemüsegarten kamen.
    »Siehst du was?«, fragte Fancy durch das Plätschern des Wassers und den Gesang der Vögel.
    »Klar.« Kit erschlug einen Moskito auf ihrem Hals. »Giftefeu, Rehscheiße und Steine. Oh, nein!«
    Ein kreischendes Gelächter schrillte durch den Wald, ein scheußliches, jaulendes Lachen … und dann ein Chor.
    Fancy blieb auf der Stelle stehen. Sie bekam am ganzen Körper raue Gänsehaut. Ihr
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