Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee
Autoren: C Box
Vom Netzwerk:
den blauen Dodge zur Weiterfahrt. Der Busfahrer deutete auf das Fahrzeug, und Kindergesichter drückten sich an die Scheiben, um zu sehen, was es für ein Problem gab.
    Die Frau sah die drei Mädchen noch immer an. Langsam hob sie die Hand, nahm die Zigarette aus dem Mund und tippte die Asche in den Schnee. Hinter dem aufsteigenden Rauch waren ihre Augen nur schmale Schlitze.
    Der Busfahrer drückte auf die Hupe, und der Augenblick war vorbei. Der Pick-up fuhr ruckartig an, und das Fenster wurde wieder hochgekurbelt. Die Frau hatte sich zum Fahrer umgewandt und beschimpfte ihn. Der blaue Dodge jagte davon, um wieder zur Karawane aufzuschließen, und der große Schulbus rollte in die Haltebucht.
    Als die Ziehharmonikatüren sich keuchend öffneten, hörte Sheridan lärmende Kinderstimmen aus dem Bus dringen und spürte einen Schwall warmer Luft.

    »Das war unheimlich«, sagte sie und führte Lucy und April zur Tür.
    »Ich hab Angst«, jammerte Lucy und vergrub ihr Gesicht in Sheridans Jacke. »Die Frau hat mir Angst gemacht.«
    April hatte sich nicht gerührt. Sheridan zog sie am Arm, drehte sich dann zu ihr um und stellte fest, dass das Mädchen leichenblass war; zitternd und mit aufgerissenen Augen stand sie da. Sheridan zog etwas heftiger, und April erwachte aus ihrer Erstarrung und folgte ihr.
    Im Bus setzte sie sich neben Sheridan und nicht neben Lucy. Das hatte es noch nie gegeben. Sie blickte ganz geradeaus auf die Lehne vor sich und zitterte noch immer. Der Busfahrer hatte endlich aufgehört, sich über »diese verflixten Zigeuner und Landstreicher« zu ereifern, die ihn auf der Fahrt in die Stadt die ganze Zeit über aufgehalten hatten.
    »Wohin diese Karawane wohl unterwegs ist?«, fragte er, ohne eine Antwort zu erwarten. »Keiner, der noch alle Tassen im Schrank hat, kampiert mitten in diesem verflixten Winter in unseren Bergen.«
    »Ist dir kalt?«, wollte Sheridan wissen. »Du zitterst noch immer.«
    April schüttelte den Kopf. Der Bus verließ die Haltebucht. Lange Scheibenwischer, die aus dem Gleichtakt geraten waren, malten Regenbogen auf die Frontscheibe.
    »Was ist es dann?«, fragte Sheridan und legte den Arm um ihre Pflegeschwester. April schüttelte den Arm nicht ab, was allein schon ungewöhnlich war. Erst vor kurzem hatte sie begonnen, echte Sympathie zu zeigen und sich nicht länger gegen Gesten der Zuneigung zu sträuben.
    »Ich glaub, das war meine Mom«, flüsterte sie und blickte zu Sheridan hoch. »Ich meine die Mom, die weggegangen ist.«

3
    Der Sturm zog auf, und Joe war ohne Verstärkung, konnte keinen Funkkontakt zur Außenwelt herstellen und befand sich mit einem toten Bezirksleiter der Bundesforstverwaltung im Twelve Sleep Nationalforst. Als er im Wald neben dem an eine Fichte gehefteten Gardiner stand und Schnee rasch die Spuren tilgte, die zu seinem Pick-up zurückführten, war klar, dass Joe einige Entscheidungen treffen musste, und zwar sofort.
    Gerade war er aus dem Waldstück zurückgekehrt, aus dem die Pfeile vermutlich abgeschossen worden waren, und hatte sich vergewissert, dass der Mörder verschwunden war. Es war bereits so viel Schnee gefallen, dass seine Spuren nicht mehr deutlich zu erkennen waren.
    Joe blickte in die wirbelnden Flocken hinauf. Was tun? Natürlich sollte er einen Tatort eigentlich unverändert lassen.
    Plötzlich ging ein Zittern durch Gardiners Leib, und ein frischer Blutschwall lief ihm zwischen den Pfeilen über die Brust. Joe sprang unwillkürlich und mit geweiteten Augen zurück und wagte kaum zu atmen. Dann streifte er einen Handschuh ab und fühlte am Hals nach Gardiners Puls. Erstaunlicherweise war unter der auskühlenden Haut ein schwaches Flattern zu spüren. Joe schüttelte den Kopf. Angesichts der Wunden hatte er nicht einmal erwogen, dass der Mann noch am Leben war.
    Joe versuchte, ihm einen Pfeil aus dem Körper zu ziehen, doch die Spitze steckte zu fest im Holz. Als Nächstes versuchte er, das Ende abzubrechen, doch der Schaft war aus Graphit und einfach zu widerstandsfähig. Schließlich schob er die Arme unter Gardiners Achseln, drückte das Gesicht gegen den
blutüberströmten Parka und löste Lamar vom Baum, indem er seinen Körper mühsam über die Pfeile zerrte.
    Von Adrenalin und Verzweiflung getrieben, hievte Joe sich den Schwerverletzten über die Schulter, noch immer mit dem Lenkrad am Arm. Unbeholfen drehte er sich um und machte sich auf den anstrengenden Rückweg zu seinem Pick-up. Schnee wehte ihm in die Augen und schmolz
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher