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Blutsball (German Edition)

Blutsball (German Edition)

Titel: Blutsball (German Edition)
Autoren: Tanja Rauch
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zwischen die Knie. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf seinen Atem.
    Eine Zeit lang saß er so da, ohne sich zu bewegen. Nach einer Weile ließ der schmerzende Druck in seinem Magen plötzlich nach und auch das Atmen fiel ihm wieder etwas leichter. Ein paar Minuten später fühlte er sich wieder so gut, dass er langsam aufstand. Seine Beine kribbelten und er streckte seinen steifen Rücken durch. Verwundert über seinen plötzlich wechselnden Zustand, fuhr er sich durch die Haare und sah sich um. Er schien sich in der Bibliothek des Schlosses befinden, denn der Raum war bis zur Decke gefüllt mit Büchern. Die Regale waren so hoch, dass meterlange Leitern an ihnen lehnten, damit man die obersten Bücher überhaupt erreichen konnte. In der Mitte des Raumes stand ein riesiger Schreibtisch aus dunkel gebeiztem Eichenholz. Neugierig ging Andrew auf den Tisch zu und sah, dass darauf ein Buch mit dunkelrotem Einband aus Leder lag.
    „
Die Maske des Roten Todes von Edgar Allen Poe
“, las Andrew laut vor und schlug den Buchdeckel auf. Gebannt überflog er die Kurzgeschichte von Poe über einen Prinzen, der trotz einer in seinem Königreich wütenden Choleraepidemie, einen rauschenden Maskenball gab:
    Der Ball findet in verschiedenen Räumen statt, von denen jeder in einer eigenen Farbe eingerichtet ist. Jede volle Stunde schlägt eine Pendeluhr so laut, dass die Gäste und die Musiker verschreckt innehalten um dem Läuten zu lauschen. Danach geht das Fest munter weiter, bis zum nächsten Schlag der Uhr. Als die Uhr um Mitternacht zu Läuten beginnt, taucht eine Gestalt im schwarzen Umhang und mit blutroter Maske auf. Die Feiernden sind so verängstigt, dass es niemand wagt, den Fremden zu demaskieren. Der Prinz selbst eilt der Gestalt hinterher und wird wenig später tot auf dem Boden liegend gefunden. Die Festgäste stürzen sich auf den Mörder, um ihn endlich zu demaskieren. Doch erschreckt müssen sie feststellen, dass sich kein Gesicht dahinter verbirgt.
    „
Und unbeschränkt herrschte über alles mit Finsternis und Verwesung der Rote Tod.“,
kamen Andrew entsetzt die letzten Wörter der Geschichte flüsternd über die Lippen.
    Warum hatte der Schlossherr sich verkleidet wie der
Rote Tod
? War er einfach ein großer Bewunderer des Schriftstellers oder vielleicht nicht ganz bei Sinnen? Andrew schüttelte entrüstet den Kopf. Also war es wohl tatsächlich wahr, was man sich in Somerton über ihn erzählte. Der neue Besitzer von Nordwich Castle war ein Exzentriker, ein Sonderling! Fröstelnd vor Unbehagen, klappte Andrew das Buch zu und legte es auf den Tisch zurück. Als er sich vorbeugte, fiel das cremefarbene Kuvert aus seiner Innentasche. Er hob es auf und fasste sich an den Kopf. Das hatte er fast vergessen! Wie spät war es denn eigentlich?
    Als Antwort auf seine gedankliche Frage, schlug in diesem Moment die große Pendeluhr in der Eingangshalle zehn Mal. Andrew lief ein kalter Schauer über den Rücken. Es war Zeit, sich auf die Suche nach dem roten Salon zu machen.
    Eilig sperrte er die Tür zur Bibliothek auf und lief zurück in den Ballsaal. Er heftete sich den Männern an die Fersen, die ebenfalls eine Einladung erhalten hatten. Gerade als er durch die Tür trat, fiel sein Blick auf Philip, der sich ebenfalls im selben Raum befand und wie die anderen Eingeladenen auf den Gastgeber wartete. Ohne Umschweife lief er mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen auf Philip zu, der ihn grimmig anstarrte.
    „Philip – ich…“, wollte sich Andrew gerade stockend für sein Fehlverhalten entschuldigen, da betrat der Schlossherr den Raum und augenblicklich verstummten alle. Hinter der roten Maske konnte man noch nicht einmal seine Augen erkennen und doch hatte man das Gefühl, er durchbohrte die Ehrengäste geradezu mit seinen Blicken. Wieder wurden Andrew und den anderen Gästen Gläser gereicht, doch Andrew nahm seins nur sehr widerstrebend entgegen. Er dachte an die letzte Stunde, die er mit Magenschmerzen in der Bibliothek verbracht hatte. Aber natürlich wollte er nicht unhöflich sein, und so prostete auch er dem großzügigen Gastgeber zu, der sein Glas hochhielt. „Ich danke Ihnen, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Sie alle hier, sind von mir auserwählt, von diesem Moment an, ein besseres Leben zu führen. Also, stoßen wir an, auf eine gemeinsame Zukunft!“, erklärte er geheimnisvoll und streckte sein Glas in Richtung der wartenden Männer. Diese hoben auch ihr Glas, nickten sich
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