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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht
Autoren: Jonathan Kellerman
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Ding hatte schon Schweißflecken unter den Achseln.
    Mein Herzschlag hatte sich beschleunigt, mein Magen drehte sich um. Das war lächerlich. Was würde ich einem Patienten in der gleichen Lage raten?
    Seien Sie Sie selbst.
    Wer immer das war.
    Ich kam als Erster vor dem Restaurant an, dachte daran, im Seville zu warten und Allison zu begrüßen, während sie auf den Eingang zuschritt. Ich nahm an, das könnte sie beunruhigen, und ging hinein. Drinnen war es so hell wie in einem Grabmal. Ich setzte mich an die Bar, bestellte ein Bier, sah auf den Fernseher, in dem eine Sportsendung lief – ich kann mich nicht erinnern, welcher Sport –, und hatte mich kaum durch den Schaum getrunken, als Allison durch die Tür trat, eine Flut schwarzer Haare von ihrem Pullover schüttelte und sich umsah.
    Ich kam in dem Moment bei ihr an, als der Oberkellner aufblickte. Als sie mich sah, weiteten sich ihre Augen. Keine rasche Musterung; ihr Blick ruhte nur auf meinem Gesicht. Ich lächelte, sie lächelte zurück.
    »Nun ja, hallo.« Sie bot mir die Wange an, und ich gab ihr ein Küsschen. Sie trug einen lavendelfarbenen Kaschmirpullover, und er passte zu dem Kleid, das sich vom Brustbein bis zu den Knien an sie schmiegte. Passende Schuhe mit hohen Absätzen. Diamantene Ohrringe, ein Diamantarmband, silberne Perlen um den weißen Hals.
    Wir setzten uns. Sie bestellte ein Glas Merlot, und ich bat um einen Chivas. Die mit rotem Leder bezogene Nische war geräumig, und ich saß so weit von ihr weg, dass es nicht aufdringlich wirkte, und so nah, dass ich ihren Geruch wahrnahm. Sie roch großartig.
    »Also«, sagte sie und richtete ihre blauen Augen auf die leere Nische neben uns.
    »Ein langer Tag?«
    Wieder auf mich. »Ja. Zum Glück.«
    »Ich weiß, was Sie meinen«, sagte ich.
    Sie spielte mit einer Serviette. »Was machen Sie so in letzter Zeit?«
    »Nachdem es um den Ingalls-Fall ruhiger geworden war, hab ich mir ein bisschen frei genommen. Zuletzt habe ich als Gutachter fürs Gericht gearbeitet.«
    »Bei Mordfällen?«
    »Nein«, antwortete ich. »Körperverletzung und ein paar Sorgerechtsfälle.«
    »Sorgerecht«, sagte sie. »Das kann hässlich werden.«
    »Besonders wenn genug Geld da ist, um endlos Anwälte zu bezahlen, und man mit einem idiotischen Richter geschlagen ist. Ich versuche mich auf kluge Richter zu beschränken.«
    »Finden Sie welche?«
    »Einfach ist es nicht.«
    Die Getränke kamen. Wir stießen mit den Gläsern an und tranken schweigend. Sie drehte den Stiel zwischen den Fingern, inspizierte die Karte, sagte: »Ich komme um vor Hunger und werde mich vermutlich wieder voll stopfen.« »Tun Sie sich keinen Zwang an.«
    »Was empfehlen Sie?«
    »Ich bin seit Jahren nicht mehr hier gewesen.«
    »Ach?« Sie schien amüsiert zu sein. »Haben Sie es ausgesucht, um meinen fleischfressenden Neigungen nachzugeben?«
    »Ihren und meinen. Außerdem hab ich es als entspannt in Erinnerung.«
    »Das ist es.«
    Schweigen. Mein Gesicht wurde warm – Scotch und Verlegenheit. Sogar in dem schummrigen Licht konnte ich erkennen, dass sie Farbe angenommen hatte.
    »Wie dem auch sei«, sagte sie. »Ich weiß nicht, ob ich mich je bei Ihnen bedankt habe, aber Sie haben es mir so leicht wie nur möglich gemacht, über meine Erfahrung zu sprechen. Also vielen Dank.«
    »Vielen Dank für Ihre Hilfe. Es hat der Sache ein anderes Gesicht gegeben.«
    Sie schenkte der Karte noch etwas Aufmerksamkeit, kaute auf ihrer Unterlippe, blickte auf, sagte: »Ich denke an ein T-Bone-Steak.«
    »Klingt gut.«
    »Und Sie?«
    »Rib eye.«
    »Das Treffen der Giganten«, sagte sie. Sie sah erneut in die leere Nische, richtete den Blick wieder auf das Tischtuch, schien meine Fingerspitzen zu studieren. Ich war froh, dass ich meine Nägel gefeilt hatte.
    »Sie haben sich von Kriminalfällen ein wenig frei genommen«, sagte sie, »aber Sie werden wieder zu ihnen zurückkehren.«
    »Wenn man mich darum bittet.«
    »Wird man das?«
    Ich nickte.
    Sie sagte: »Ich bin nie dazu gekommen, Sie danach zu fragen. Was zieht Sie zu dieser Art von Arbeit?«
    »Ich könnte einen Vortrag voll Edelmut darüber halten, dass ich Unrecht wieder gutmachen und die Welt nur ein kleines bisschen sicherer machen möchte, aber ich habe damit aufgehört, mir selbst etwas vorzumachen. In Wahrheit habe ich Gefallen an der Unvorhersehbarkeit und Neuheit gefunden. Von Zeit zu Zeit brauche ich einen Schuss Adrenalin.«
    »Wie ein Rennfahrer.«
    Ich lächelte. »Das gibt dem, was ich
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