Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutmaske

Blutmaske

Titel: Blutmaske
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
kommen. Es fühlt sich an, als wäre ich … eine Gefangene. Eine Gefangene, die man in einen dunklen Keller geschmissen hat und die sich nicht bewegen kann. Ich fühle nicht viel, rieche und höre nur. HE ! HE , ICH WILL  …
    Biep, biep, biep. Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack. Biep. Biep …
    Oh, Gott! Das ist es: Sie denken, ich liege im Koma! Das ist es: Ich liege im Koma! Es gab mal dieses Video, von Metallica, glaube ich. Das Lied hieß … ich weiß es nicht mehr. Der Soldat in einem Militärkrankenhaus, ohne Arme und Beine, ohne Augen und ohne die Möglichkeit zu sprechen. Alle hielten ihn für … keine Ahnung. Er musste ihnen zuhören, bei allen Gesprächen über seinen Zustand musste er ihnen zuhören und konnte sich nicht äußern! Diese Verzweiflung war in dem Video gut eingefangen.
    Biep, biep, biep. Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack. Biep. Biep …
    Ich habe schreckliche Angst, dass es mir genauso geht. Vielleicht haben sie mir auch Gliedmaßen abnehmen müssen? Bin ich entstellt? Nein, dann würden sie Elena nicht zu mir ins Zimmer lassen. Hoffe ich.
    Biep, biep, biep. Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack. Biep. Biep …
    Ich habe Angst. Schreckliche Angst …
     
     
    2 . Februar, Deutschland,
Sachsen, Leipzig, 13.04  Uhr
     
    »Ich habe gehört, dass Erfrieren total schön ist. Stimmt das?«
    Krankenschwester Hildegard, die eben bei Emma Karkow die Temperatur maß, zuckte zusammen, als sie die freundliche Mädchenstimme in ihrem Rücken hörte. Sie sah über die Schulter zum Zimmereingang, wo die Tochter der Komapatientin auf der Türschwelle stand. Die Siebenjährige hatte die Hände in die Taschen ihrer dunkelgrauen Sweatjacke gesteckt und sah sie abwartend an.
    »Na, schön ist wohl anders«, antwortete sie und sah nach vorne auf die Digitalanzeige. Sie hielt Elena für ein äußerst merkwürdiges Kind, das sehr gut zu ihrer Tante passte. Theresia Sarkowitz arbeitete als Sitzwache und konnte mit bemerkenswerter Genauigkeit vorhersagen, welcher Patient starb und welcher nicht. »Im Vergleich zu Verbrennen mit Sicherheit.«
    Seit einer Woche stellte Elena diese Fragen, die sich immer um das eine drehten: sterben. Erhängen, ertrinken, Stromschlag, vergiften mit Chemikalien, durch Spritzen, durch Schlucken, durch Einatmen, Rattengift … Es gab wohl fast keine Variante mehr, die das Mädchen nicht abgefragt hatte.
    Hildegard schob es auf das durch den Überfall erlittene Trauma, auf die schwere Verletzung ihrer Mutter und die geringe Aussicht, dass sie je wieder aus dem Koma erwachte. Sie hatte in ihren vierzig Berufsjahren schon viel erlebt, Schönes und Schlechtes an Krankenbetten erfahren, doch ein Kind wie Elena war ihr noch nie begegnet. Abgesehen davon hatte auch der häufige Umgang mit der Sarkowitz sicher etwas damit zu tun. Ein derart morbides Verhalten fiel aus der Norm.
    »Und was passiert beim Erfrieren?«
    Das Thermometer fiepte und zeigte den aktuellen Wert der Patientin: 37 , 9 Grad. Erhöhte Temperatur. Besser als Fieber, aber auch nicht wirklich zufriedenstellend, weil es der Anfang von etwas Schlimmerem sein konnte, dessen Ursache sich nicht zeigen wollte. »Elena, was sollen denn diese Fragen? Und sag jetzt nicht, dass es ein Referat für die Schule wäre. Du bist höchstens in der zweiten Klasse. Da werden solche Themen nicht besprochen.«
    »Nee, nicht in der Schule. Aber es kam im Fernsehen, eine Wissenssendung.
Willi will’s wissen,
und da hat er erklärt, wie das so mit dem Tod ist. Mir geht es einfach nicht mehr aus dem Kopf, wie ein Mensch sterben kann. Und du als Krankenschwester, dachte ich mir, weißt das sicher.«
    »Die Sendung hat gezeigt, wie Menschen sterben?« Hildegard konnte es nicht fassen.
    »Nein, das nicht. Aber im Fernsehen, in den Nachrichten, da sind ständig Leichen zu sehen. Oder sie berichten über Unfälle und Unglücke, wo Menschen ums Leben kommen. Das finde ich total spannend.«
    Hildegard seufzte. »Was ist nur aus den Sendungen geworden, in denen lustige Grimassenschneider Kinder zum Lachen brachten? Schaut denn heute keiner mehr Dick und Doof?«, murmelte sie und warf einen Blick auf die Überwachungsmonitore der verschiedenen Maschinen, an die Emma Karkow angeschlossen war.
    Alle Anzeigen waren so, wie sie sein sollten, die Frau lebte, war physisch auf dem Weg zu bester Gesundheit. Die Knochenbrüche und Verletzungen vom Sturz heilten – aber ihr Verstand wollte den Weg ins Hier und Jetzt nicht finden. Der Aufprall aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher