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Blutgesicht

Blutgesicht

Titel: Blutgesicht
Autoren: Jason Dark
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ihren Kopf huschten, kam sie zu keiner Lösung. Dieser andere war einfach da. Er hatte sie in seinen Bann gezogen. Er wollte etwas von ihr, denn grundlos war er nicht erschienen.
    Und sie hörte ihn.
    Es war seine Stimme, die ihn ansprach. Dabei blieb das Gesicht unbeweglich hinter der Scheibe. Jane Collins schaute es sich sehr genau an und achtete dabei sorgfältig auf den Mund, der sich allerdings nicht bewegte, obgleich sie die Stimme des anderen hörte, die durch ihren Kopf oder die Gedankenwelt glitt.
    »Ich habe dich nicht vergessen können, Jane Collins. Und weil dies so ist, möchte ich, daß du mich wieder besuchen kommst. Den Weg kennst du. Ich werde auf dich warten. Ich möchte dir nicht nur meine Bilder zeigen, sondern sie dir auch erklären. Ich Will, daß du erkennst, wie wichtig sie sind. Du sollst vor ihnen stehen und sie richtig lesen lernen. Du mußt begreifen, was ich hinter ihnen verborgen habe. Die Botschaften, die noch versteckt sind, die aber jemand lesen kann, der es möchte. Und ich werde dir dabei helfen…«
    Jane Collins hatte sehr genau zugehört. Natürlich versuchte sie, einen innerlichen Widerstand aufzubauen. Sie würde einen Teufel tun und nicht zu diesem Menschen laufen, wobei für sie nicht einmal feststand, ob Lassalle tatsächlich ein Mensch war oder letztendlich nicht mehr. Das spielte auf einmal keine Rolle mehr. Diese Stimme hatte in ihrem Innern eine Saite zum Erklingen gebracht, über die sich Jane selbst wunderte, denn ihr erster Widerstand war nicht einmal mehr eine kleine Flamme gewesen, höchstens ein Funke, und er war sofort nach dem Start einfach erloschen.
    Die Detektivin nickte.
    Sie tat es nicht einmal gegen ihre Uberzeugung. Zumindest nicht wissentlich. Es war einfach die Faszination des Gesichts und zugleich die des Bösen, die Jane in den Bann schlug. Dieses Gesicht war einfach schlimm. Und es besaß trotzdem eine Ausstrahlung, der sich Jane Collins nicht entziehen konnte.
    »Du wirst kommen?«
    Jane schaffte es tatsächlich, eine Antwort zu geben. Sie baute die Worte nicht in Gedanken auf, sondern formulierte sie halblaut. »Ja, ich werde kommen.«
    »Das ist gut.«
    »Wann?«
    »Egal, Jane Collins. Ich werde immer auf dich warten, verstehst du? I mmer.« Nach diesen Worten zuckten die breiten Lippen, und Mund zeigte ein Grinsen.
    Es war widerlich. So überheblich, so wissend wie das Grinsen eines Henkers, der vor seinem Delinquenten stand und wußte, daß der andere bald sterben sollte.
    Nathan Lassalle zog sich zurück, während Jane Collins noch immer unbeweglich vor dem Fenster stand und gegen die Schräge schaute. Es war für sie nicht einfach nur das Weggleiten der Gestalt, nein, das sah anders aus. Er floh dahin. Er zog sich zurück. Er schwebte und schien sich selbst in der Dunkelheit aufzulösen. Sie kam über ihn, sie war wie ein grauer Nebel, der vom Dach aus in die Höhe gestiegen war und alles umfaßte.
    So glitt das Gesicht oder sogar die gesamte Gestalt tles Malers zurück. Das konnte Jane nicht so genau erkennen, weil es auf dem Dach kein helles Licht gab.
    Noch immer starrte sie auf die Scheibe. Lange blieb sie auf der Stelle stehen. Viele Gedanken huschten durch ihren Kopf. Nur war sie einfach nicht fähig, diese nachzuvollziehen. Das Durcheinander war einfach zu groß.
    Nathan Lassalle erschien nicht mehr. Er hatte sich in seine Welt oder seine Region zurückgezogen. Jane war auch nicht aufgefallen, daß er über das Dach geschritten wäre, er war einfach nur ein Teil dieser Dunkelheit geworden.
    Sie wurde wieder normal. Jetzt stellte sie fest, daß sie atmen konnte. Das war ihr die letzte Zeit über gar nicht aufgefallen. Sie holte tief Luft, atmete ein, atmete aus und merkte, daß sie noch lebte und auch wieder allein war.
    Langsam drehte sie sich um. Sie konnte denken, doch nichts zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Keine Gefühle. Weder Freude noch Schmerz. So leer wie sie in die Gegend schaute, fühlte sich Jane Collins auch.
    Keine Gedanken, keine normalen, nur Nathan Lassalle befand sich als Erinnerung in ihrem Kopf. An ihn mußte sie immer denken. Sein Bild wollte nicht weichen. Fs hing wie doppelt gemalt in ihrer Erinnerung fest. Es war einfach alles anders geworden. Jane kam sich vor wie eine Frau, die neben sich ging. Alles, was sie tat, geschah wie automatisch. Sie schaltete den PC ab, knipste auch das Licht aus und ging mit steifen Schritten auf die Tür zu, die sie nicht geschlossen hatte. Im Treppenhaus brannte noch das Licht.
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