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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
Autoren: Patricia Cornwell
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nicht nur zwei Wochen. Die Einzelhaft zu ihrem eigenen Schutz ist eine neue Situation, die sie mit Einsitzen im Todestrakt vergleicht.
    Sie erklärt, dass sie keinen Zugang zu E-Mails und auch keinen Kontakt zu ihren Mitgefangenen mehr hat, außer sie rufen von Zelle zu Zelle oder schieben heimlich gefaltete Zettel, sogenannte Kassiber, unter den Zellentüren durch, eine Methode, die Gerissenheit und Geschicklichkeit voraussetzt. Zwar darf sie jeden Tag eine begrenzte Anzahl von Briefen schreiben, kann sich allerdings keine Briefmarken leisten und ist sehr dankbar, wenn »vielbeschäftigte Menschen wie Sie an Leute wie mich denken und sich ein bisschen kümmern«, wiederholt sie einige Male. Ihre einzige Beschäftigungsmöglichkeit außer Lesen und Schreiben ist ein Fernseher mit Dreizehn-Zoll-Bildschirmdiagonale, der aus durchsichtigem Plastik und manipulationssicheren Schrauben besteht. Er hat keine eingebauten Lautsprecher, und der Empfang ist miserabel. So einen schlechten Empfang wie in ihrer neuen Unterkunft hatte sie noch nie, und sie vermutet, dass es »an all den elektromagnetischen Störungen in Haus Bravo« liegt.
    »Spionage«, behauptet sie. »Die vielen Wachmänner, die nur nach einer Gelegenheit suchen, mich nackt zu sehen. Ich bin hier ganz allein eingesperrt. Wer also kriegt mit, was wirklich geschieht? Ich muss wieder zurück in meine alte Zelle.«
    Da sie nur dreimal wöchentlich duschen darf, befürchtet sie zu verwahrlosen. Außerdem fragt sie sich, wann sie sich wieder von Insassinnen, die nicht unbedingt begnadete Kosmetikerinnen sind, Nägel und Haare schneiden lassen kann. Ärgerlich zeigt sie auf ihr übertrieben blondiertes kurzes Haar und beschwert sich darüber, wie ihr Aussehen unter der Haft gelitten hat, »denn auf diese Weise soll man hier gedemütigt werden, so kriegen sie einen klein«. Der Spiegel aus poliertem Stahl über dem stählernen Waschbecken erinnert sie ständig an die wahre Strafe für ihre Gesetzesverstöße, meint sie zu mir, als ob Gesetze ihre Opfer wären und nicht die Menschen, die sie missbraucht oder getötet hat.
    »Ich versuche, mich aufzumuntern, indem ich mir denke: Nun, Kathleen, das ist ja kein richtiger Glasspiegel «, fährt sie, auf der anderen Seite des weißen Resopaltischs sitzend, fort. »Alles, was hier irgendein Spiegelbild wirft, muss doch verzerrt sein, finden Sie nicht? Genauso wie etwas den Fernsehempfang verzerrt. Also ist das Bild, das ich sehe, wenn ich mich anschaue, möglicherweise auch verzerrt. Vielleicht bin ich das ja nicht wirklich.«
    Sie wartet auf meine Bestätigung, dass ihre Schönheit nicht dahin ist und dass der Spiegel böswillig verfälschte Bilder produziert. Stattdessen erwidere ich, die von ihr geschilderten Zustände hörten sich wirklich schwierig an. Ich würde in ihrer Situation sicher ganz ähnlich empfinden. Mir würde das Gefühl frischer Luft auf dem Gesicht und der Anblick von Sonnenuntergängen und dem Meer ebenso fehlen wie ein heißes Bad oder eine gute Friseurin. Insbesondere was die Verpflegung beträfe, habe sie mein vollstes Mitgefühl, weil Essen für mich mehr sei als bloße Ernährung. Das ist ein Thema, über das ich ungezwungen plaudern kann. Essen ist ein Ritual, eine Belohnung, ein Mittel, nach all den Dingen, die ich zu Gesicht bekomme, meine Nerven zu beruhigen und mich aufzuheitern.
    Während Kathleen Lawler immer weiterredet, sich beklagt und anderen die Schuld an ihrem freudlosen Leben gibt, denke ich offen gestanden ans Abendessen und freue mich darauf. Ich werde nicht in meinem Hotelzimmer essen. Das wäre nach dem beengten Sitzen, erst in dem schmutzigen, übelriechenden Transporter und nun, ein unsichtbares Codewort auf die Hand gestempelt, im Gefängnis, wirklich nicht das Richtige. Nachdem ich in meinem Hotel in der Altstadt von Savannah eingecheckt habe, werde ich die River Street entlangschlendern und mir ein griechisches oder ein Cajun-Restaurant suchen. Oder noch besser, ein italienisches.
    Ja, ein italienisches. Ich werde ein paar Gläser kräftigen Rotwein trinken – ein Brunello di Montalcino oder ein Barbaresco wäre wunderbar – und die Nachrichten oder meine Mails auf dem iPad lesen, damit mich niemand anspricht oder versucht, mit mir zu flirten, wie es so oft geschieht, wenn ich allein unterwegs bin, allein esse und trinke oder andere Dinge allein tue. Ich werde Benton eine SMS schreiben, Wein trinken und ihm erzählen, er habe mit seinem Verdacht recht gehabt, dass hier etwas
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