Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blütenrausch (German Edition)

Blütenrausch (German Edition)

Titel: Blütenrausch (German Edition)
Autoren: Mila Herbst
Vom Netzwerk:
den Chefkellner, wann eine Rede zu erwarten war, und wann der Vater der Braut seine Diashow präsentieren wollte; ich gab ihm darüber hinaus noch Anweisungen, wann die Teller abgeräumt und die nächsten Gänge serviert werden konnten. Zwischendurch ging ich zur Sängerin und schaute nach ihr. Tatsächlich ging es Mina wieder viel besser. Sie sah frischer aus und konnte es nicht erwarten, zu Abend zu essen. Die Reste ihres Mageninhalts hatte Wentold so gut es ging verschwinden lassen, ich bezweifelte aber, dass die Putzfrau nichts mehr an dem Teppich zu tun haben würde.
    Als das Dinner zu Ende ging, verkündete ich im Saal, dass die Party jetzt erst richtig losginge, und bat die Gäste, sich in die Orangerie zu begeben. Dort erwarte sie eine mit Cocktails und allerlei Getränken gefüllte Bar und die Band Thokit, mit der charmanten Sängerin Mina als Frontfrau. Dass sie erst vor ein paar Stunden noch sternhagelvoll war, behielt ich selbstverständlich für mich.
    Die Hochzeitsgesellschaft l ieß es sich nicht nehmen, sofort von ihren Plätzen aufzustehen und in die Orangerie zu marschieren. Abgesehen von den Rauchern, gab es für die Gäste, in den drei Stunden, welches das Dinner dauerte, kaum eine Gelegenheit die Beine zu strecken, wenn man von kurzen Toilettenbesuchen absieht. So war es also eine willkommene Gelegenheit, sich endlich eine Weile zu bewegen, ohne in diesen Kreisen unhöflich zu erscheinen.
    Kurz nach dem alle Gäste wieder versammelt waren, verkündete Mina ‒ wie besprochen ‒ in Begleitung einiger Akkorde ihrer Musiker, dass die Braut jetzt wünsche, nach altem Brauch den Strauß zu werfen. Sie war wieder die Alte, gut gelaunt und bereit, den Gästen eine tolle Show zu bieten. Gott sei Dank keine Spur von dem, was vor Kurzem vorgefallen war.
    » All right , meine lieben wunderbaren unverheirateten Damen ...«, rief sie halb singend und schnalzte dabei rhythmisch mit den Fingern. »Wer will als Nächste unter die Haube?« Sie blickte einen Moment in die Menge, auf der Suche nach Freiwilligen, dann fuhr sie fort: »Alle die es nicht erwarten können, please , hier vorne zusammenstellen.« Sie zeigte mit dem Finger auf den Platz vor der Bühne. Nach und nach fanden sich tatsächlich einige Frauen, die mitmachten und so wandte sie sich an die Braut: » Well, Darling, it’s your turn . Kommen Sie her. Ich habe für Sie ein paar hübsche Ladies zusammengetrommelt, die als Nächstes heiraten möchten, oh yeah !«
    Mina hob ihre Arme in Gospe l Manier, als lobe sie den Herrn. Außerdem sprach sie schon die ganze Zeit mit einem amerikanischen Akzent, was sich wahrscheinlich einfach besser verkaufte, als ihr Sächsisch.
    Natalie stand ganz hinten, fast am Eingang des Saales. Sie winkte mit ihrem Strauß, um zu signalisieren, dass sie käme, und bahnte sich einen Weg durch die Gäste. Als sie auf der Bühne stand, strahlte sie bis über beide Ohren. Das, was jetzt kam, schien ihr richtig Spaß zu machen.
    »Seid ihr so weit?«, fragte sie mit hochgehobenem Strauß in das Mikrofon, das Mina ihr unter dem Mund hielt.
    Die acht oder neun Frauen, die sich angesprochen fühlten, zischten ein beherzigtes »Jaaaaa!«, und fingen an, ihre Ellbogen auszubreiten, so als bereiteten sie sich auf den wichtigsten Kampf ihres Lebens vor.
    Natalie drehte sich mit dem Rücken zu den gackernden Damen und holte tief Luft.
    Plötzlich hie lt sie inne.
    Sie blickte aus dem hohen ovalen Fenster, das sich seitlich der Bühne befand. Sie erbleichte. Ich konnte ihre Reaktion gut beobachten, denn ich stand auf der anderen Seite der Bühne, in der Nähe von Franjo. Ich blickte nach draußen. Unter dem schwachen Licht der Laterne, die sich gegenüber dem Fenster befand, entdeckte ich, wie jemand sich schnell vom Gebäude entfernte. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, sah nur, dass er einen Frack trug. Das musste die gleiche Person sein, die bei dem Hochzeitszug das Saxofon spielte, denn kein anderer männlicher Gast trug einen Frack, geschweige denn eine Saxofonkiste. Ich hatte diese Gestalt seitdem nicht mehr gesehen, aber auch keinen Gedanken mehr an sie verschwendet. Ich dachte, sie hätte sich nach seiner Vorstellung umgezogen und sich wieder unter die Gäste gemischt. Anscheinend lag ich falsch. War er doch nur engagiert worden? Wenn ja, was machte er dann noch hier?, überlegte ich. Künstler verabschiedeten sich üblicherweise nach ihrem Auftritt.
    Ich blickte wieder in Natalies Gesicht. Ihre Augen starrten immer noch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher