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Blinde Wut

Blinde Wut

Titel: Blinde Wut
Autoren: Peter Scheibler
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festgestellt worden waren, bereits abtransportiert. Kreidestriche am Boden markierten die Stellen, an denen sie gelegen hatten. Der Gerichtsmediziner war gerade dabei, die Leiche der Frau zu untersuchen. Die Leute von der Spurensicherung wuselten überall herum, und der Polizeifotograf schoß die Aufnahmen, die von ihm verlangt wurden. Noch ein Mann mit einem Fotoapparat befand sich im Zimmer: der Reporter Martin Hartwig, der fotografierte, was ihm vor die Linse kam, und das war jetzt Kommissar Lutz, der in der Tür stehengeblieben war und unwillig zu ihm hingesehen hatte. Als Lutz Hartwigs Treiben ein Ende bereiten wollte, tauchte Rösch auf, der Einsatzleiter.
    »Können Sie mir schon irgendwas sagen?« sprach Lutz ihn in einem sachlichen Ton an, aus dem niemand hätte schließen können, daß die beiden sich noch vor wenigen Minuten ein kleines Scharmützel mit Worten geliefert hatten.
    »Nicht viel«, erwiderte Rösch. »Die Frau ist tot.« Er blätterte in den Papieren und Dokumenten, die er irgendwo aufgestöbert hatte, bis er auf die Stelle stieß, die er Lutz vorlesen wollte: »Marion Däubler, siebenunddreißig Jahre alt. Der Mann und das Kind sind schwer verletzt. Bernhard Däubler, vierzig… und Christian, sechs Jahre alt. Kaum anzunehmen, daß sie überleben werden.«
    »Und wer hat geschossen?«
    Rösch zog die Schultern hoch. »Vielleicht der Mann. Das da scheint jedenfalls die Tatwaffe zu sein.« Er deutete zu einer Pistole hin, die mitten im Zimmer auf dem Boden lag. »Sie liegt noch da, wo wir sie gefunden haben.«
    Lutz ließ seine Blicke nachdenklich durch das Zimmer schweifen. »Sie meinen also, der Mann hat auf die Frau und auf das Kind geschossen und dann auf sich selbst?«
    Rösch zuckte wieder mit den Schultern. Diesmal wollte er damit keinen Zweifel zum Ausdruck bringen, sondern eine vorsichtige Bejahung.
    »Wieso liegt dann die Waffe mitten im Zimmer?« erkundigte sich Lutz, dem es zu widerstreben schien, sich Röschs Theorie so ohne weiteres anzuschließen.
    »Das werden wir auch noch rauskriegen«, gab Rösch lakonisch zurück.
    Lutz schüttelte den Kopf. »Es ist möglich, daß sich zur Tatzeit noch jemand in der Wohnung aufgehalten hat.«
    »Gibt es einen konkreten Hinweis dafür?« wollte Rösch wissen.
    »Nein«, mußte Lutz einräumen. »Aber wir haben ja gerade erst angefangen.«
    Hartwig hatte während des Gesprächs der beiden Kriminalisten ein Foto nach dem anderen geschossen. Jetzt begann er, Lutz mächtig auf den Geist zu gehen.
    »Wer ist das eigentlich?« erkundigte er sich bei Rösch.
    »Irgendein Reporter.«
    »Und wie ist der reingekommen?«
    »Keine Ahnung«, räumte Rösch ein.
    »Schicken Sie ihn fort!« knurrte Lutz in einem Tonfall, der Wagner mit Sicherheit nicht gefallen hätte, an dem Rösch aber nichts auszusetzen hatte, denn er kam umgehend der Aufforderung nach und fuhr den Reporter an: »Ich muß Sie bitten, die Wohnung zu verlassen!«
    »Erlauben Sie mal!« entrüstete Hartwig sich.
    »Sie stören die Ermittlungen!«
    »Ich will doch nur…«
    »Los, machen Sie schon!« Rösch nahm Hartwig am Ärmel und zog ihn unsanft zur Tür, durch die just in diesem Moment Wagner in das Zimmer trat. Es gelang Hartwig noch, auch von Wagner ein Bild zu schießen, bevor er fluchend und protestierend die Wohnung verließ.
    Wagner wandte sich an Lutz und schleuderte ihm ein ärgerliches »Nichts!« entgegen.
    Lutz, der mit seinen Gedanken ganz woanders war, sah ihn verständnislos an.
    Wagner verdrehte die Augen. Erwartete der Alte jetzt, lange nach Mitternacht, tatsächlich noch ausführliche Rapporte? Gut, konnte er haben: »Die Reicherts haben Musik gehört«, begann er mit leiernder Stimme. »Die haben weder den Streit bei den Däublers mitbekommen, noch, daß jemand die Treppe runtergerannt ist.«
    Lutz nickte ihm zu und ließ ihn einfach stehen, ohne ein Wort zu sagen. Der Gerichtsmediziner hatte die Untersuchung der Leiche von Frau Däubler gerade abgeschlossen und winkte Lutz zu sich. »Ich vermute, ein glatter Herzdurchschuß«, erklärte er. »Sie war wahrscheinlich sofort tot.«
    Lutz betrachtete nachdenklich das Gesicht der Toten: ein schönes, etwas herbes Gesicht. Wer um alles in der Welt hatte dieses Leben ausgelöscht? Und warum, zum Teufel? Wut kroch in ihm hoch, wie es immer der Fall war, wenn er sich mit den Folgen eines Verbrechens konfrontiert sah. Und wie immer fraß er diese Wut in sich hinein. Gesund war das sicher nicht, und in einem Anflug von
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