Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
Strohmatten ausgelegten Brunnen, auf dessen Grund man vergebens nach der Wahrheit suchen würde – zwischen dem roten Tisch des Registrators und den seidenen Talaren –, Repliken, Dupliken, Schlußworte, Dekrete, Eingaben, Informationen und Berge geldverschlingenden Unsinns vor sich aufgehäuft. Kein Wunder, daß der Saal trübe ist, nur hie und da von schmelzenden Kerzen spärlich erhellt, wenn Nebel schwer darin hängt, die bunten Glasfenster die Farbe verloren haben und kein Tageslicht hereinlassen; kein Wunder, wenn die Uneingeweihten auf der Straße, die durch die Glasscheiben in den Türen hereinblicken, sich von dem Eintritt abschrecken lassen durch den lichtscheuen, eulenhaften Anblick und das schläfrige Gesumm, das matt zur Decke hinauftönt von dem gepolsterten Baldachin, von wo der Lord-Oberkanzler zu der Laterne aufblickt, in der kein Licht ist, und wo die Perücken der beisitzenden Richter in Nebeldunst verschwimmen.
    Das ist das Kanzleigericht, das Häuser hat verfallen machen und Äcker verwüstet in jeder Grafschaft, seine lebensmüden Wahnsinnigen hat in jedem Irrenhaus und seine Toten auf jedem Kirchhof, das seine Prozessierenden aussaugt, bis sie mit niedergetretenen Absätzen und abgeschabtem Rock bei allen, deren Bekanntschaft sie machen, reihum borgen und betteln gehen; das Kanzleigericht, das dem Reichen Mittel an die Hand gibt, das Recht müde zu hetzen. Das Geld, Geduld, Mut, Hoffnung so erschöpft, Köpfe verwirrt und Herzen bricht, daß kein Advokat, so er ehrenwert ist, anstehen wird zu warnen: »Lieber jedes Unrecht leiden als hierherkommen.«
    Wer ist zufällig an diesem trüben Nachmittag in des Lordkanzlers Gericht außer dem Lordkanzler selbst, dem Advokaten in der zu verhandelnden Sache, zwei oder drei Rechtsanwälten, die niemals etwas zu tun haben, und dem eben erwähnten Brunnen voll Solizitoren? Der Registrator, im Range unter dem Richter, in Perücke und Talar, und die Pedelle und Säckelmeister in ihrer Amtstracht. Sie gähnen alle, denn kein Tropfen Witz ist von dem Rechtsfall Jarndyce kontra Jarndyce, der schon seit vielen, vielen Jahren trocken ausgequetscht ist, zu erwarten. Die Stenographen, die Gerichtsschreiber und Zeitungsberichterstatter entfliehen regelmäßig mit dem übrigen Personal, wenn »Jarndyce kontra Jarndyce« an die Reihe kommt. Ihre Plätze sind leer.
    Auf einer Bank an der Seitenwand steht, um besser in das mit Vorhängen umschlossene Heiligtum blicken zu können, eine kleine verrückte alte Frau in einem zerdrückten Hut, die jeder Verhandlung von Anfang bis Ende beiwohnt und beständig irgendein unbegreifliches Urteil zu ihren Gunsten erwartet.
    Einige sagen, sie sei wirklich Partei in einer Rechtssache oder sei es gewesen; aber niemand weiß es genau, weil sich niemand darum kümmert. Sie trägt in ihrem Strickbeutel ein kleines Paket mit sich herum, das sie ihre Dokumente nennt und das größtenteils aus Papierfidibussen und getrocknetem Lavendel besteht.
    Ein blasser Gefangener unter Obhut eines Gerichtsdieners erscheint zum halbdutzendsten Male vor den Schranken, um sich persönlich gegen die Anschuldigung der Unterschlagung zu verteidigen, was ihm schwerlich jemals gelingen wird, da er als letztüberlebender Testamentsvollstrecker mit Rechnungen in Verwicklung geraten ist, von denen er wahrscheinlich nie etwas gewußt oder verstanden hat.
    Unterdessen sind seine Aussichten im Leben vernichtet worden.
    Ein anderer zugrunde gerichteter Prozessierender trifft periodisch von Shropshire ein und macht am Ende jeder Verhandlung krampfhafte Anstrengungen, den Kanzler anzureden; man kann ihn in keiner Weise überzeugen, daß der Kanzler, obgleich er ihm seit einem Vierteljahrhundert das Leben schwer gemacht hat, gerichtlich nichts von seiner Existenz weiß. Er hat sich einen guten Platz ausgesucht und wendet kein Auge von dem Richter, bereit, jeden Augenblick, wenn sich die Gelegenheit ergeben sollte, in klagendem Baß: »Mylord!« zurufen. Ein paar Advokatenschreiber und andere, die den Mann von Ansehen kennen, bleiben da in der Hoffnung, er werde vielleicht Anlaß zu einem Spaß geben und die Trübseligkeit des abscheulichen Wetters ein wenig unterbrechen.
    »Jarndyce kontra Jarndyce« geht seinen schleppenden Gang. Dieses Ungeheuer von Prozeß ist im Verlauf der Zeit so verwickelt geworden, daß sich kein Mensch auf Erden mehr darin zurechtfinden kann. Die Parteien verstehen ihn am wenigsten, und nicht einmal zwei Kanzleigerichtsadvokaten können
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher