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Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht
Autoren: Nacke
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Gewitter nicht mehr über den Hügelkamm.
    Warten.
    Gloßners Handflächen sind klitschnass, das Hemd klebt innen wie außen. Warum dauert das so lang?
    Vašek hält ihn zurück » St˚uj , Sigi – lass die Kollegen machen! Die wissen, was sie tun.«
    Jede Minute wird zum Gummiband. Dann endlich wieder Trampeln von groben Stiefeln auf einer Treppe, Stimmen, die sich nähern, jetzt die Silhouette eines Mannes im Rahmen der zertretenen Tür – er hält ein Gewehr im Anschlag, es ist auf etwas gerichtet, das aus der Tiefe des Raumes kommt, von hier aus ist nicht zu erkennen, was es ist. Gloßner und Vašek rennen die wenigen Stufen zum Haus hinauf, den tschechischen Beamten entgegen. In ihrer Mitte ein Mann, der Mann taumelt, aus einer Stirnwunde rinnt ein dünner Blutfaden die hohlen Wangen hinunter, versickert in einem schmutzigen Verband am Hals. Als letzter taucht Vašeks Kumpel auf, er trägt ein dünnes Mädchen auf dem Arm, ihr Kopf hängt nach unten, Wind reißt an ihren langen blonden Haaren.
     
    *
     
    Während Gloßner, von einer tschechischen Polizeistreife flankiert, mit gnadenlos überhöhter Geschwindigkeit zurück Richung Schönsee fährt, ist Kascha mit dem Handy in der Hand auf ihrem Sofa eingenickt. Auf dem Tisch steht ein leeres Rotweinglas neben einer ebenso leeren Schachtel Gauloises. Aus der Stereoanlage perlen die »Kinderszenen« von Robert Schumann.
     
     
     

Ritter vom Steckenpferd
    Es ist vollkommen egal, ob man an Schicksal glaubt, an Karma oder ob einem die ganze Sache mit der fatalen Vorherbestimmtheit am unteren Ende des Kreuzbeins vorbeigeht – gelegentlich benimmt sich sein schöner, glatter Lebenslauf gerade so, als hätte er einen fürchterlichen Schluckauf oder wäre aufgrund einer Unebenheit des Bodens ins Stolpern geraten. Manchmal ist es nicht einmal der eigene Lebenslauf, der hickst oder taumelt, sondern der eines anderen Wesens, das, sei es Zufall oder nicht, urplötzlich in deinen Orbit hineinstolpert und damit das ganze Gefüge durcheinanderbringt.
    Irene Wenk hat in dieser Geschichte also eigentlich überhaupt nichts verloren und sie wäre nicht einmal erwähnt worden, wenn sie am Sonntagmorgen zu Hause geblieben oder mit ihrem Mischlingsrüden Chico woanders Gassi gegangen wäre – im Wald vielleicht. Sie hätte mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht mitgespielt, wenn sie ihren letzten Winterurlaub nicht auf Teneriffa verbracht und dort bei einer Mülltonne einen völlig verlausten Welpen entdeckt und ihn spontan adoptiert hätte. Vielleicht war es aber auch nur die fehlende Leine, die sausengelassenen Unterrichtsstunden in der Hundeschule, der Umstand, dass Irene Wenk keinerlei Erfahrung im Umgang mit jungen Hunden hat. Vielleicht hatte der Dackel auf der anderen Straßenseite aber auch eine derartige Unverschämtheit gekläfft, dass weder Leine noch hervorragende Erziehung Chico davon abgehalten hätten, sich directement durch die Beine der Läufer hindurch auf ihn stürzen zu wollen. Wer kann schon die ganze lange Kette an Kausalitäten nachvollziehen und letztendlich sagen, warum etwas passiert. Fest steht, es ist passiert. Fest steht auch, dass es die Beine von Martin Kalz waren, in denen sich der flauschige Rüde verhedderte und den Mann damit zu Fall brachte. Aber seien wir ehrlich: Es ist schon ein schier unglaublicher Zufall, dass es ausgerechnet der Vater von Irene Wenk war, der an diesem Sonntag als Notarzt am Westzipfelmarathon in Wegberg Dienst hatte und Kalz den verdrehten Knöchel bandagierte.
     
     
     

Fürchtenmachen
    »Zoe, was ist denn jetzt eigentlich mit der kleinen Kovács? Die haben Sie doch gestern noch zu Gesicht bekommen, oder? Der Gloßner hat mir gesagt, dass er sie noch Samstagnacht zu einem Arzt in Schönsee gebracht hat – Killer soll der heißen.«
    Mattusch versucht, Ordnung in das Notizzettelchaos zu bringen, das am Sonntagnachmittag durch diverse intensive Telefonate entstanden ist. Wenigstens hat das Gewitter so weit für Abkühlung gesorgt, dass der Einsatz des Ventilators, dessen Luftstrom eine verheerende Wirkung entfalten könnte, an diesem Montagmorgen nicht nötig ist – noch nicht.
    »Die ist letzte Nacht noch zur Beobachtung im Klinikum geblieben, Chef. Hatte einen völlig labilen Kreislauf nach dem Schock. Ich hab gestern kurz mit ihr gesprochen. Wir können jetzt sicher sein, dass ihre Schwester ebenfalls in Gerlachs Haus gewesen ist. Das hat er ihr selber erzählt.«
    »Mal sehen, ob er uns gegenüber auch so
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