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Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht
Autoren: Nacke
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– Was willst du dann machen? An der Tür klingeln und ihm erklären, dass der gehbehinderte tschechische Rentner hier ein Ex-Bulle ist, man selbst zwar noch aktiver Bulle, gerade allerdings im Urlaub und wegen eines Kneipenunfalls temporär entstellt? Und anschließend so was sagen wie: »Lieber Herr Soziopath, würden Sie uns bitte Ihre Geisel herausgeben? Und könnte ich dann mal kurz Ihr Badezimmer benützen? Haha!«
    Während Gloßner noch denkt und sich immer mehr in dieses Denken verstrickt, hat Vašek die Situation bereits auf die einfachste Weise geklärt, die in diesem Fall möglich ist, was nebenbei beweist, dass eine moderate Alkoholmenge in Kombination mit gesunder Waldluft sowohl inspirierend wie auch beflügelnd wirken kann – allerdings nur, wenn die   ˇCeská Vodafone   mitspielt, was sie dankenswerterweise tut: Das Handy hat zwar einen schlechten, aber es hat Empfang. Was Vašek in dieser vokalarmen Sprache und in einer irren Geschwindigkeit genau in das Gerät gekratzzischt hat, bleibt zunächst einmal sein Geheimnis. Nachdem er die Austaste gedrückt hat, sagt er nur:
    »Sigi, sie kommen!«
    »Wer kommt?«
    »Verstärkung. Ich hab auf dem Polizeirevier in Domažlice angerufen. Gib Gott, dass deine Geschichte stimmt. Wenn nicht, brauch ich mich in ganz Westböhmen in keiner Kneipe und bei keinem Kollegen mehr blicken lassen.«
    Die folgenden zehn Minuten alias fünfzehn Kilometer zwischen Domažlice und Horšov dauern lang – lang genug, um Gloßner mehrere Handyverbindungen mit Nürnberg herstellen zu lassen, denen er unter anderem entnehmen kann, dass Leonie Kovács noch immer nicht zu Hause aufgetaucht ist. Mattusch hat die Fahndung bereits eingeleitet, jetzt wird er sich auch noch offiziell um Amtshilfe kümmern müssen. »Kascha, ich weiß, dass das eine Weile dauern kann, aber wir haben schon eine, hm, sagen wir mal tschechische Alternative zum offiziellen Weg gefunden. – Nein, du willst sicher nicht wissen, was das für eine Alternative ist, versuch dich zu entspannen.« Noch während er dies sagt, bedauert er, dass der Slivovitz im Handschuhfach der DS und nicht mehr in Vašeks Jackentasche steckt.
     
    *
     
    »Das hier ist dein neues Zuhause, Leonie. Und du darfst auf meinem Ferrara-Cello üben. Das habe ich nicht einmal deiner Schwester in die Hand gegeben. Aber du darfst darauf spielen. Ich habe es noch nie aus der Hand gegeben, aber für dich mache ich eine Ausnahme. Du wirst auf diesem Instrument das Cellospielen lernen. Es wird eine Weile dauern, ich weiß, aber wir haben ja Zeit, viel Zeit – hier stört uns niemand. Wenn du möchtest, bekommst du ein Kätzchen, ihr Mädchen mögt doch Kätzchen gerne. Oder möchtest du lieber einen kleinen Hund? Man lernt besser, wenn man etwas hat, an dem man hängt, das weiß ich. Man hat Angst, es wieder zu verlieren, das beflügelt. Also, was möchtest du – ein kleines Kätzchen oder ein süßes Hündchen?«
     
    *
     
    Sie sind ihnen entgegengegangen. Das Röhren der Motoren war schon lang vorher zu hören, bevor der erste Scheinwerferkegel hinter der Biegung auftaucht. Die beiden Wagen bremsen, Kies spritzt auf. Kies knirscht unter den Sohlen der Männer, als sie aus den Wagen springen, Gewehrkolben klirren. Der Trupp sammelt sich um einen großen Mann, knappe Anweisungen werden gegeben. Der Mann kommt auf sie zu, begrüßt Vašek mit einem Kopfnicken.
    »Der Kollege aus Deutschland?«
    »Ja.«
    »Sicher, dass euer Mann da drin ist?«
    »Ja.«
    »Das Mädchen auch?«
    »Sehr wahrscheinlich.«
    »Dann los!«
    Der Trupp setzt sich in Bewegung – schnell, gespenstisch schnell. Zweige krachen, das Licht von Taschenlampen zuckt über den Waldboden, kurze Befehle werden gebellt. Die Männer verteilen sich um das Haus, vier bleiben vorne, rennen die Stufen hoch zur Eingangstür, Waffen werden entsichert, Holz splittert, als ein Stiefel dagegen kracht, Holzdielen dröhnen unter schweren Tritten, Licht schreit auf. Das Haus, eben noch friedlich im Dämmerschlaf gelegen, wird von einem Sturm aus Lärm und Helligkeit heimgesucht, der durch sein Inneres tobt. Kommandos gellen nach draußen.
    Gloßner und Vašek sollen warten.
    Warten.
    Die Zeit dehnt sich zur Ewigkeit. Dann ein grobes Poltern, sich entfernendes Fußgetrampel, wohin entfernt es sich? Nach unten, in einen Keller vielleicht, es wird leiser, verstummt. In die plötzliche Stille hinein schreit ein Käuzchen. Heftige Böen bringen die Baumkronen zum Ächzen, lang braucht das
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