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Blackout

Blackout

Titel: Blackout
Autoren: Jonathan Kellerman
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einen Schlag abwehrt. Als der Schlag ausblieb, ging er auf die Pritsche mit der Kleinen zu.
    »Sie sind ein Arzt«, sagte ich zu ihm. »Ein hochgeachteter Mediziner. Hören Sie nicht auf ihn-«
    Schnell, schneller als ich es für möglich hielt, trat McCaffrey an die Stelle, wo zuvor Towle gestanden hatte. Er holte aus und schmetterte mir den Kolben seiner Pistole gegen die Schläfe. Ich stürzte zu Boden, mein Gesicht schien vor Schmerzen zu explodieren, meine Hände schützten mich unwillkürlich vor weiteren Hieben, das Blut lief mir durch die Finger. »Bleiben Sie, wo Sie sind, und halten Sie gefälligst die Schnauze.«
    Towle zog Sarah das T-Shirt aus. Ihr Brustkorb war konkav und weiß, die Rippen warfen graublaue Schatten. »Jetzt die Jeans. Und das Höschen. Alles.«
    »Warum tun wir das, Gus?« wollte Towle wissen. In meinen Ohren, die allerdings keineswegs perfekt funktionierten, nachdem das eine aufgerissen und blutig war, das andere voll wäßriger Echos, klang Towles Stimme seltsam gedämpft und gezogen. Ich fragte mich, ob der Streß die biochemische Barriere durchbrechen konnte, die er um sein krankes Gehirn errichtet hatte.
    »Warum?« McCaffrey lachte. »Du bist es nicht gewohnt, bei so etwas zuzusehen, was, Willie? Du hast bis jetzt eine gehobene Rolle gespielt, hast den Luxus der Distanz genossen. Macht nichts, ich fuhr’ es dir gern einmal vor.« Er schaute Towle verächtlich an, dann blickte er auf mich herunter und lachte wieder. Das Geräusch hallte schmerzhaft in meinem Schädel. Immer noch lief mir das Blut über das Gesicht. Mein Kopf fühlte sich schwammig an, als ob er lose auf den Schultern säße. Allmählich begann sich alles um mich zu drehen, und mir wurde übel; der Boden kam mir entgegen. Angst packte mich, als ich mir überlegte, ob er mich hart genug getroffen hatte, daß der Schlag mein Gehirn schädigen konnte. Ich wußte, was ein Hämatom zwischen den grauen Zellen anrichten konnte, die das Leben lebenswert machten… Während ich um Kraft und Klarheit kämpfte, sah ich verrückterweise mein Gehirn auf dem Tablett eines Pathologen liegen, aufgespießt und ausgebreitet, und versuchte, die Lage des Schadens zu bestimmen. Die Pistole war gegen meine linke Schläfe geschmettert worden- die dominante Hemisphäre, denn ich bin Rechtshänder. Das war schlecht… Die dominante Seite kontrolliert die logischen Prozesse: das vernünftige Denken, die Analyse, die Deduktion - gerade die Vorgänge, die mir in über dreiunddreißig Jahren am wichtigsten erschienen waren. Ich überlegte, wie es sein würde, wenn ich das alles verlor, vielleicht in geistige Verwirrung geriet, und dabei fiel mir der zweijährige Willie junior ein, der auf ganz ähnliche Weise niedergeschlagen worden war. Er hatte den Kampf ganz verloren, und wer weiß, ob das nicht eine Gnade war. Denn wenn er überlebt hätte, wäre der Schaden groß gewesen. Linke Seite - rechte Seite… Die Gezeiten…
    »Wir werden eine kleine Aufführung inszenieren, Willie«, belehrte ihn McCaffrey. »Ich bin Produzent und Regisseur in einer Person. Du bist mein Assistent und hilfst mir mit den Requisiten.« Er schwang die Polaroidkamera im Bogen über dem Kopf. »Die Stars in unserer kleinen Show sind die kleine Sarah und unser Freund, Doktor Alex Delaware. Und das Stück heißt: ›Der Tod eines Schädelschrumpfers.‹ Untertitel: ›Inflagranti ertappt.‹ Ein moralisches Stück.«
    »Gus -«
    »Die Handlung geht folgendermaßen: Doktor Delaware, unser späterer Schurke, ist bekannt als gefühlvoller, väterlich sorgender Kinderpsychologe. Doch ohne daß es seine Kollegen oder Patienten wüßten, hat er diesen Beruf nicht aus seiner Neigung zum- zum Altruismus gewählt. Nein, Doktor Delaware ist Kinderpsychologe geworden, um näher bei den lieben Kleinen sein zu können. Um ein bißchen mit ihren Genitalien spielen und sie mißbrauchen zu können. Kurzum, ein Verirrter, eift; Perverser, ein Opportunist, der Niedrigste der Niedrigen. Ein übler und geistig gestörter Mann.« Er hielt inne, um zu mir herunterzuschauen, lachte dann und atmete schwer dazu. Trotz der Kälte im Bunker schwitzte er, und die Brille war ihm auf dem Nasenrücken nach vorn gerutscht. Ich warf einen Blick auf den 38er, den Towle immer noch in der Hand hatte, und schätzte die Entfernung zwischen der Waffe und der Stelle, wo ich lag. McCaffrey bemerkte es, schüttelte den Kopf, grinste und zeigte mir dabei seine Zähne.
    »Mit diesen perversen Motivationen im Kopf
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