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Blacklist - Blacklist - Blacklist

Titel: Blacklist - Blacklist - Blacklist
Autoren: Sara Paretsky , Pößneck GGP Media GmbH
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er wohl beweisen wolle.
    »Seit Kriegsbeginn sind mehr als zehn westliche Journalisten ermordet worden«, schrieb ich an einer Stelle. «Wenn ich den Fernseher einschalte, rechne ich jedes Mal mit dem Schlimmsten.«
    Binnen Minuten hatte ich seine Antwort per E-Mail: »Victoria, geliebte Detektivin, wenn ich morgen nach Hause komme, versprichst du mir dann, künftig von jedem Fall Abstand zu nehmen, bei dem ich mir Sorgen um dich mache?«
    Was mich noch mehr auf die Palme brachte, weil ich wusste, dass er Recht hatte - ich war manipulativ und unfair. Aber ich brauchte ihn, ich wollte ihn sehen, spüren, hören - und zwar live, nicht im Cyberspace.
    Ich ging dazu über, mich müde zu laufen. Jedenfalls schaffte ich es, die beiden Hunde müde zu laufen, die meinem Nachbarn von unten und mir gehören: Sie verkrochen sich jetzt immer in Mr. Contreras' Schlafzimmer, sobald sie mich im Joggingzeug sichteten.
    Trotz meiner Mammuttouren - ich lief zur Zeit fünfzehn Kilometer statt acht oder neun wie sonst - war ich nicht erledigt genug, um zu schlafen. Nach dem Anschlag auf das World Trade Center hatte ich fünf Kilo abgenommen, was Mr. Contreras beunruhigend fand: Er setzte mir Toast und gebratenen Speck vor, sobald ich vom Laufen kam, und bearbeitete mich so lange, bis ich zum Durchchecken zu Lotty Herschel ging. Lotty meinte, ich sei körperlich völlig in Ordnung, nur psychisch überanstrengt, wie so viele.
    Wie man es auch nennen wollte, ich war jedenfalls zurzeit nicht wirklich bei der Sache, wenn es um meine Arbeit ging. Ich bin auf Wirtschafts- und Industriekriminalität spezialisiert. Früher war ich häufig zu Fuß unterwegs, marschierte zu Verwaltungsgebäuden, um etwas in Akten nachzuschlagen, machte Beschattungen und so fort. Seit es das Internet gibt, tappt man nur noch von Website zu Website. Wenn man stundenlang vor einem Computer sitzt, muss man sich konzentrieren können, und das fiel mir zurzeit schwer.
    Deshalb strich ich nun im Dunkeln um Larchmont Hall herum. Als mein wichtigster Klient mich bat, nach Einbrechern Ausschau zu halten, die sich nachts in dem Haus herumtrieben, war ich so scharf auf Arbeit mit Körpereinsatz, dass ich auch die zerbröselnden Steinbänke am Rand des Zierteichs dort geschrubbt hätte.
    Darraugh Graham war schon Klient von mir, als ich die Detektei gerade eröffnet hatte. Der New Yorker Ableger seines Unternehmens, Continental United, hatte drei Mitarbeiter im World Trade Center verloren. Darraugh setzte das schwer zu, aber er trauerte mit eiserner Miene und kalkweißem Gesicht, was anrührender war als manches Gezeter, das man dieser Tage zu hören bekommt. Er wollte nicht über den Verlust und die persönlichen Folgen für ihn sprechen, sondern ging mit mir in seinen Sitzungsraum, wo er eine Detailkarte von den Vorstädten im Westen aufrollte.
    »Ich habe Sie aus persönlichen Gründen hergebeten, nicht aus geschäftlichen.« Er wies mit dem Mittelfinger auf einen grünen Fleck nordwestlich von Naperville in New Solway, das noch nicht zu Chicago gehört. »Das ist alles Privatbesitz hier. Große Villen von alten Familien, Sie wissen schon, die Ebbersleys, Felittis und so fort. Es ist ihnen gelungen, das Land zu erhalten wie eine Art privates Naturschutzgebiet. Auf diesem braunen Streifen hier hat Taverner '72 knapp sechzigtausend Quadratmeter an einen Makler verkauft. Es gab ein großes Geschrei damals, aber er war im Recht. Musste wahrscheinlich irgendwelche Steuern zahlen.« Mein Blick folgte Darraughs langem Zeigefinger einem braunen Streifen entlang, der sich in dem ganzen Grün wie eine Möhre ausnahm.
    »Auf der Ostseite liegt ein Golfplatz. Im Süden der Gebäudekomplex, in dem meine Mutter lebt.« Darraugh ist ein kühler, distanzierter Mann - wenn er umgänglicher Stimmung ist. Es fällt schwer, sich ihn in normalen Lebenslagen vorzustellen, wie zum Beispiel beim Geborenwerden.
    »Mutter ist einundneunzig. Sie kommt alleine zurecht, und außerdem will ich nicht - sie will nicht mit mir zusammenleben. Sie wohnt dort in einer Siedlung - Anodyne Park. Reihenhäuser, Apartments, ein kleines Einkaufszentrum, ein Pflegeheim, falls sie Hilfe braucht. Ihr scheint es zu gefallen. Sie ist ein geselliger Mensch. Wie mein Sohn - das scheint nicht jedem in der Familie gegeben zu sein.« Sein frostiges Lächeln zeigte sich flüchtig.
    »Alberner Name für eine Siedlung, Anodyne Park, und geradezu geschmacklos, wenn man an die Alzheimer-Station im Pflegeheim denkt - Mutter
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