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Bittersuesser Verrat

Bittersuesser Verrat

Titel: Bittersuesser Verrat
Autoren: Rachel Caine
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Nähe!«
    Sie ignorierte ihn, hauptsächlich aus dem Grund, dass die Vorstellung, allein im Dunkeln zu sitzen und zuzuhören, wie Ada ihm Grausamkeiten zufügte, schlimmer war als alles, was er selbst ihr antun konnte. »Reden Sie weiter«, sagte sie. Sie hörte, wie er tief Luft holte und dann wieder ausatmete. Aber er sagte kein Wort. Wahrscheinlich dachte er, sie würde aufgeben, wenn er sie nicht ermutigte.
    Er hätte es besser wissen müssen.
    »Stopp!«, erklang plötzlich Myrnins Stimme scharf und eindringlich aus der Finsternis. Claire hielt inne, den rechten Fuß zum Schritt erhoben. »Zurück. Langsam. Zwei Schritte. Tu es, Claire!«
    Sie hörte auf ihn, setzte vorsichtig einen Fuß hinter den anderen und blieb dann stehen. »Was ist los?«
    »Der Boden ist nicht stabil. Wenn du es auf diesem Weg versuchst, wird er unter deinem Gewicht einbrechen. Du musst bleiben, wo du bist!«
    »So besorgt um das neue Mädchen«, sagte Adas Stimme, die die Felswände zum Vibrieren brachte. »Um mich warst du nie so besorgt, nicht wahr? Auch wenn du immer wusstest, wie sehr ich dich liebte. Wie gern ich bei dir sein wollte. Ich ließ dich mein Blut trinken, Myrnin. Du durftest dir alles von mir nehmen. Und dann hast du mir das angetan.«
    »Oh, hör auf herumzujammern«, zischte Myrnin. »Du warst mehr als dankbar, in einen Vampir verwandelt worden zu sein, und das hatte überhaupt nichts damit zu tun, dass du ein liebeskrankes Schulmädchen warst. Du wolltest tausend Leben zur Verfügung haben, um die Welt zu erkunden, um zu forschen und zu lernen. Das habe ich dir gegeben, Ada.«
    »Du hättest auf mich aufpassen sollen.«
    »Wer sagt das?«
    »Ich!« Das Echo baute sich wieder auf und hallte schrill von den Wänden wider; Claire kauerte sich dort, wo sie war, auf den Boden und hielt sich fest die Ohren zu. Dieses Mal ebbte das Echo stufenweise ab. Als es still war, rappelte sich Claire wieder auf und bewegte sich vorsichtig auf einem kleinen Umweg weiter in ihre ursprüngliche Richtung. Dabei prüfte sie bei jedem Schritt den Boden, bevor sie ihr volles Gewicht auf den Stein verlagerte.
    Er fühlte sich fest an.
    »Claire, bitte bleib stehen«, sagte Myrnin mit brüchiger Stimme.»Du kannst nichts sehen. Du hast keine Ahnung, wie gefährlich das ist.«
    »Beschreiben Sie es mir. Helfen Sie mir! Wenn Sie das nicht tun, gehe ich einfach weiter.«
    »Das ist genau das, was sie erreichen will. Sie will, dass du versuchst, zu mir zu kommen...« Myrnin stieß einen leisen Schmerzensschrei aus und verstummte.
    »Myrnin?« Claire vergaß alle Vorsicht und machte einen Schritt nach vorne. Zu schnell. Sie spürte, wie der Stein unter ihr bröckelte, abbrach und ins Bodenlose fiel. Claire verlor das Gleichgewicht und taumelte am Rand eines Loches, das offensichtlich zum Mittelpunkt der Erde führte. Sie hörte die fallenden Felsbrocken nicht unten aufschlagen.
    Claire schaffte es, langsam ihr Gewicht wieder auf den hinteren Fuß zu verlagern, und gelangte wieder auf festen Boden. Ihr Herz hämmerte so heftig, dass es wehtat, und sie konnte ein panisches Keuchen nicht unterdrücken.
    »Myrnin, Sie müssen mir helfen«, sagte sie. »Sagen Sie mir, in welche Richtung ich gehen muss. Wir kriegen das hin.«
    »Selbst wenn du mich erreichst, ist keinem von uns geholfen«, sagte er. »Sie hat mich. Es ist sinnlos, wenn du ebenfalls umkommst.«
    »Sagen Sie mir einfach, wie ich zu Ihnen komme.«
    Nach ein paar Minuten des Schweigens begann Myrnin zu erklären: »Zwei Schritte nach rechts, dann einen nach vorne.« Während sie sich vorsichtig vortastete, sagte er: »Claire, sie hat recht. Ich habe sie ausgenutzt. Sie hat mich tatsächlich geliebt. Das habe ich ausgenutzt, um von ihr zu bekommen, was ich wollte.«
    »Sie meinen als Mann?« Claire zählte sorgfältig die Schritte und blieb dann stehen. »Weiter.«
    »Ein Schritt nach vorne und dann einen diagonal nach links. Was ich getan habe, war um einiges schlimmer, als du denkst. Ich habe eine Vampirin aus ihr gemacht, um eine verlässliche Assistentin zu haben, eine, die mich liebte und mich nie verraten würde. Ich habe eine Sklavin aus ihr gemacht.«
    »Weiter. Eines kann ich Ihnen über Ada sagen: Sie war nie eine Sklavin, weder Ihre noch die von jemand anderem. Und Sie haben sie wirklich geliebt, sonst hätten Sie nicht all die Jahre ihr Medaillon aufbewahrt.«
    »Noch ein Schritt scharf links, dann sechs nach vorne. Und sei nicht albern. Ich bewahre auch Kaugummipapierchen auf.
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