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Bittersüße Nacht - McLeod, S: Bittersüße Nacht - The Bitter Seed of Magic

Bittersüße Nacht - McLeod, S: Bittersüße Nacht - The Bitter Seed of Magic

Titel: Bittersüße Nacht - McLeod, S: Bittersüße Nacht - The Bitter Seed of Magic
Autoren: Suzanne McLeod
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Rossetti und eine russische Ikone miteinander gezeugt hatten.
    Dieses engelsgleiche Kind der Liebe hob nun die schlanken Arme, und auf einmal standen wir in strahlendem Sonnenschein. Über uns flatterten dicke kleine Putten mit roten Bäckchen, Goldflügeln und glänzenden Heiligenscheinen aufgeregt herum, wie Tinkerbell im Zuckerrausch. Um unsere Fußgelenke bauschten sich flauschige kleine Wattewölkchen, und es roch herrlich nach Zimt und Honig und Vanille. Über uns wölbte sich eine zehn Meter hohe himmelblaue Kuppel, und auf dieser Kuppel erschien nun das gütige Gesicht eines alten Mannes mit weißem Bart, der liebevoll auf uns herablächelte.
    Mann. Ich war im Disney-Himmel gelandet.
    Die engelsgleiche Sidhe sah aus wie eine Siebzehn- oder Achtzehnjährige, eine Schätzung, mit der ich, wie ich wusste, wahrscheinlich total danebenlag, da sie ja so gut wie unsterblich war. Sie starrte mich mit dem erwartungsvollen Ausdruck eines Kindes an, das soeben etwas ganz Erstaunliches vollbracht hat und nun auf seine Belohnung in Form von Bewunderung eines Erwachsenen wartet.
    Ich verstand den Wink: Man erwartete eine bestimmte Reaktion von mir, nur leider hatte ich keinen Schimmer, welche. Ich dachte an unsere letzte (und einzige) Begegnung zurück: Eine gewaltige Magieentladung hatte mich niedergehauen, und als ich wieder zu mir gekommen war, stand sie über mir und schaute auf mich herab. Da sie angezogen gewesen war wie ein Engel aus der Malbuchgeschichte »Cinderellas Weihnacht« und sie mir ihren richtigen Namen nicht sagen wollte, hatte ich sie »Engel« genannt. Diese Disney-Szenerie sollte mich offenbar an diese letzte Begegnung erinnern – und das tat sie auch. Nur leider wurde mir von Sekunde zu Sekunde mulmiger zumute. Unvorstellbar, wie viel Saft es kosten musste, eine solche Szenerie zu erschaffen, ganz zu schweigen davon, mich hierherzuholen. Oder davon, zu was eine derart übermächtige Sidhe – mit dem geistigen IQ einer Fünfjährigen – wohl imstande wäre, wenn sie einen Wutanfall bekäme … was angesichts ihres sich rapide verfinsternden Gesichts jeden Moment der Fall sein konnte.
    »Du musst jetzt die Zauberworte sagen!« Sie stampfte trotzig mit dem Fuß auf. »Letztes Mal hast du sie doch auch gesagt!«
    Letztes Mal? Ich überlegte fieberhaft. Was hatte ich gesagt? Ach ja! »Bin ich tot?«, krächzte ich und hoffte, damit nicht etwas heraufzubeschwören.
    Sie stieß ein entzücktes, plätscherndes Lachen aus und klatschte in die Hände. »Ich weiß nicht«, flüsterte sie, »fühlst du dich denn tot?«
    Dasselbe hatte sie letztes Mal auch gesagt, wir folgten hier also einem Drehbuch. Das Problem war nur, meines hatte nur leere Seiten. Ich beschloss zu improvisieren. »Eigentlich nicht. Aber ich hab mich die letzten paar Mal, als das passiert ist, ja auch nicht richtig tot gefühlt.«
    Sie hörte abrupt auf zu lachen, beugte sich vor und schaute mich stirnrunzelnd an. Dann drückte sie ihren Zeigefinger an meine Stirn. Magie durchzuckte mich wie ein Stromschlag, und ich plumpste zurück auf mein Hinterteil. »Nicht brav!«, sagte sie und schob schmollend die Unterlippe vor. Dann wirbelte sie herum und tänzelte summend davon.
    Ich blieb auf meinen vier Buchstaben sitzen und versuchte, zu Atem zu kommen. »Freut mich auch, dich wiederzusehen, Engel«, brummte ich. Was, zum Teufel, konnte sie nur von mir wollen? Oder vielleicht war es gar nicht sie selbst, die etwas von mir wollte?
    Engel war eine von Clíonas Hofdamen. Sie hatte sich letztes Jahr an Halloween heimlich aus den Schönen Landen verkrümelt und war irgendwie in London gelandet. Clíona hatte sich große Sorgen um sie gemacht und wollte sie unbedingt zurückhaben. Ich hatte mich im Austausch für ein paar Informationen, die ich dringend benötigte, auf die Suche nach Engel gemacht und sie sicher wieder in Clíonas Arme zurückgeschickt. Clíona bot mir daraufhin als Zeichen ihrer besonderen Gunst Asyl an ihrem Hof in den Schönen Landen an, ein Angebot, das ein Jahr und einen Tag gelten sollte, vorausgesetzt, dass ich in dieser Zeit kein Kind »gebar«. Falls doch, würde sie mich abmurksen. So sind sie, die Feen.
    Aber wenn es Clíona war, die mich sehen wollte, warum ließ sie sich dann nicht blicken?
    »Ein klitzekleiner Hinweis wäre jetzt nicht schlecht«, überlegte ich laut.
    Da strich mir etwas über den Handrücken. Ich schaute nach unten und sah, dass zwischen den Wölkchen auf einmal schwarze Rabenfedern
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