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Bitterfotze

Bitterfotze

Titel: Bitterfotze
Autoren: Maria Sveland
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respektieren, dass ich allein sein will, ohne dass es einen besonderen Anlass gibt?«
    »Nein«, sagt Benjamin schlicht, »ich traue dir nicht mehr.«
    Ich schweige. Ich verstehe ihn, ich habe so oft ein bisschen gelogen, dass die Wahrheit plötzlich merkwürdig wirkt. Ich habe ein schlechtes Gewissen und lasse ihn deshalb herein.
    Er geht rasch in die Küche, holt zwei Gläser und macht den Rotwein auf. Wir trinken, Benjamin erzählt vom Soziologieseminar und von der Arbeit, die er zu schreiben begonnen hat.
    Ich sage nichts, tue so, als würde ich zuhören, aber meine Gedanken schwimmen in einem trüben Dunkel tief in mir drin. Warum kann man sein Leben nicht besitzen?
    Es ist Frühjahr, und ich bin zu den kleinen Lügen zurückgekehrt, weil ich es nicht schaffe, Benjamin gegenüber aufrichtig zu sein. Am allerwenigsten kann ich zugeben, dass ich ihn nicht so sehr liebe, wo er doch überzeugt davon ist, dass wir den Rest unseres Lebens miteinander teilen werden.
    Gerade rechtzeitig im April, als die Studienförderung zum letzten Mal und für den ganzen Sommer ausgezahlt wurde, hat Benjamin mich überredet, zu ihm in sein winziges Studentenzimmer zu ziehen. So sparen wir eine Miete, und da ich wegen meiner Verwirrung Schuldgefühle habe, kündige ich mein geliebtes Studentenzimmer.
    Eine Woche später, als wir eines Abends im Djurgården spazieren gehen, sagt Benjamin plötzlich, er fände es am besten, wenn wir Schluss machten. Ich schaue ihn an, um zu sehen, ob er scherzt, aber sein Gesicht ist ernst, und er schaut verlegen zu Boden und versucht, es zu erklären.
    Es kommt heraus, dass er genau wie ich seit Monaten zweifelt, aber Angst hatte, ich könne Schluss machen. Weil er Angst hatte, verlassen zu werden, wollte er derjenige sein, der verlässt.
    Außer mir vor Wut verfluche ich meine eigene Dummheit, meine verdammte ererbte Unsicherheit. Verfluche, dass ich nicht fünfundfünfzig und lebensklug bin, sondern zwanzig und dumm, dumm, dumm. Und bescheuert und naiv und schrecklich betrogen. Da habe ich mich mehrere Monate lang schuldig gefühlt, weil ich an unserer Liebe zweifelte, während er überzeugt schien. So schuldbewusst, dass ich sogar mein Studentenzimmer aufgab, weil er es so gern wollte.
    Ich fange an, Benjamin ganz offen zu hassen. Nach einer Woche bereut er es und will wieder mit mir zusammen sein. Jetzt sage ich Nein, aber es klappt nicht so richtig, wir wohnen in einem Zimmer mit einem achtzig Zentimeter breiten Bett.
    Der Sommer in dem kleinen Zimmer wird unerträglich, und ich fliehe mit Sanna nach Budapest. Manisch, voller Trauer und Sehnsucht. Budapest ist schön, und es gibt jede Menge wunderbare willige Männer, die uns wohlgesinnt sind.
    Wir wohnen in billigen Jugendherbergen, wir schlafen spät ein und wachen schwer auf. Tagsüber laufen wir herum und schwimmen schwerelos im Thermalbad des Stadtparks, zusammen mit dicken Ungarn, die am Rande des Beckens Schach spielen.
    Als ich wieder nach Hause komme, ist Benjamin wütend, einer meiner Wohltäter aus Budapest hat angerufen und nach mir gefragt.
    »Ich kann mir denken, was du da unten gemacht hast!«, faucht er mit schmalen Augen.
    »Wenn du wüsstest …«, antworte ich schadenfroh und radle hinaus in die Sommernacht, zu einem der unzähligen Picknicks, die es in diesem Sommer überall gibt.
    Tagsüber arbeite ich in einer Seniorenwohnanlage und suche in den Zeitungsannoncen fieberhaft nach einer neuen Wohnung. Benjamin will immer mitkommen und findet immer irgendwelche Fehler an den Wohnungen, die ich anschaue. Zu teuer, hässliche Tapeten, zu weit draußen, zu niedrige Decken. Aus einem unerfindlichen Grund einigen wir uns am Ende immer darauf, dass es besser sei, wenn ich noch eine Weile in seinem kleinen Studentenzimmer wohne. Es ist ja so billig.
    Schließlich ist es August, und ich bin so unglücklich und verwirrt und verzweifelt, dass ich mich entschließe, eine winzige, hässliche Einzimmerwohnung in einer Altenwohnanlage aus den Sechzigerjahren zu mieten.
    Die Wohnungsbesitzerin ist seit drei Jahren tot. Das hat die Wohnungsgesellschaft noch nicht gemerkt, und das nützen ihre Enkel aus, um gleich kräftig die ursprüngliche Miete zu erhöhen. Aber das macht mir nichts aus. Ich mache alles, nur um von Benjamin wegzukommen.
    Ich ziehe in die Altenwohnanlage, und es ist mir gleichgültig, was die Rentner denken, wenn ein so junger Mensch mitten unter ihnen wohnt. Und die hässliche Wohnung hat etwas Wunderbares, eine Sitzbadewanne,
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