Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut
Autoren: Willi Voss
Vom Netzwerk:
Entfernung ein mehrgeschossiges Geschäftshaus in den wieder trüben Himmel reckte.
    »Tja, das ist wohl kein hoffnungsvolles Zeichen, da werden wir dranbleiben müssen. Was hat denn diese … diese Dame mit dem kurzen Draht zum Bürgermeister mit dem Fall zu tun? Ist sie eine Verwandte von dem Verschwundenen?«
    »Eine Freundin. Gut dreißig Jahre älter als er. Sehr von ihm eingenommen, um es gelinde auszudrücken. Von sich vielleicht noch mehr. Wohlhabende Wirtschaftsberaterin, die sich in Hüde einen kleinen Palast als Wochenenddomizil erbaut oder besser ausgebaut hat. Sie hat den Abend mit ihm auf dem Schützenfest verbracht und gibt an, ihn vor ihrem Haus kurz nach Mitternacht zum letzten Mal gesehen zu haben.«
    »Was Sie ihr nicht glaubten und zum Anlass nahmen, sie hart anzufassen?«
    »Ich habe sie nicht hart angefasst. Ich hatte den Eindruck, dass ihre Beziehung zu Böse mehr als freundschaftlich ist, und um Auskunft gebeten.«
    »Ohne Druck auszuüben und zu insistieren, ohne beleidigenden Unterton?«
    »Meine Frage lautete: Sind Sie mit ihm intim.«
    »Das ist alles?«
    »Sie reagierte meiner Meinung nach wie eine ertappte Diebin und verbat sich die Einmischung in ihre Privatsphäre.«
    Timmermans betrachtete seine Hände. »Dreißig Jahre Altersunterschied … wie kamen Sie denn darauf, dass die sich von dem … na ja, dass sie es mit ihm getrieben hat? Wenn die Frau lediglich mütterliche Gefühle für den Burschen hat, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass sie eine solche Frage als beleidigend empfindet. Wie alt ist denn dieser Böse?«
    »Vierundzwanzig.«
    »Dann ist die Simmerau weit über fünfzig! Ist die noch so gut beisammen, dass so’n junger Kerl ihr ans Korsett geht?«
    Timmermans’ Zorn schien verflogen. Sein Gesicht hatte sich entspannt. Nur aufrichtiges Wissenwollen, fand Lorinser, zeichnete sich in seinen jetzt deutlich entspannteren Gesichtszügen ab.
    »Nein«, sagte er, »attraktiv im üblichen Sinne ist sie nicht. Ist ziemlich … na ja, in der Höhe Kleidergröße 36, in der Breite 48, hartes Gesicht, dünne, kurze Haare, durch die man die Kopfhaut sieht. Und die Karosserie bügelt sie sich auch noch mit ordentlich viel Chemie auf. Aber es ist ja nicht immer das Äußere, das den Ausschlag gibt.«
    »Sie meinen, der junge Kerl bespringt sie aus purer Not?«
    »Nein, insoweit hat er keine Probleme. Könnte eine Geldfrage sein. Die Frau ist ordentlich betucht.«
    »Klingt ja wie Fernsehen am Nachmittag.«
    »Oder wie der Stoff, aus dem Beziehungen zwischen jungem Mann und alternder Frau sind.«
    Timmermans schürzte die Lippen und sah Lorinser aus schma­len Augen eindringlich und skeptisch zugleich an. »Wenn Sie Ihre Spekulation weiter auf die Spitze treiben, basteln Sie aus der Simmerau noch die Mörderin eines Opfers, das unter Umständen irgendwo fröhlich spazieren geht.«
    »Ich bin kein Heimwerker, und als solcher verstehe ich mich auch nicht, Herr Kriminalrat.«
    »Das hoffe ich doch!«
    »Kann durchaus sein, dass die Sache nichts weiter als ein Scherz ist. Aber mindestens eben so viel spricht dafür, dass der Zeuge Hollenberg die Leiche des Jungen gesehen hat. Wenn ja, ist Frau Simmerau nach jetzigem Erkenntnisstand die Letzte, die ihn lebend sah. Was immer das bedeuten mag.«
    »Was auch immer«, wiederholte Timmermans nachdenklich. »Möglich, dass er sein Auto unter Einwirkung des Alkohols an einen Baum setzte …Warten wir’s ab. Bezüglich der Beschwerde erwarte ich von Ihnen eine schriftliche Stellungnahme. Ich denke, damit ist die Geschichte auch für MdL Reets aus der Welt.«
    Timmermans erhob sich und entpuppte sich als Sitzriese, dem Lorinser bequem über den gelichteten Scheitel blicken konnte. Seine fest zugreifende Hand fühlte sich trocken wie Pergament an.
    »Und? Haben Sie schon ein bisschen Stallgeruch angenommen?«
    »Stallgeruch? Weiß nicht. Einen Wegweiser brauche ich jedenfalls nicht mehr, um mein Büro zu finden.«
    »Hört sich gut an, zumal Sie ja bald die ersten Runden für den Höheren Dienst auf der Polizeiakademie in Nienburg drehen.«
    Das stimmte. Nicht zuletzt die Gelegenheit, über das Studium den Mittleren Dienst schnell hinter sich lassen zu können, hatte Lorinser dazu bewogen, sich bei der niedersächsischen Kriminalpolizei zu bewerben. Zwar hatte er noch keinen endgültigen Antrittstermin, aber wenigstens die Zusicherung, am nächsten Lehrgang für die Kommissarslaufbahn teilnehmen zu können.
    »Ich hoffe, es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher