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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01
Autoren: Karl Bleibtreu
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zu.«
    »Stimmt«, erläuterte Coffin trocken. »Seit Menschengedenken sahst du vom Innern der Alma Mater , deren Busen in dir eine Schlange säugte, nur ein Lokal: den so beliebten Karzer. In diesen heiligen Hallen kennt man die Unschuld nicht ...«
    »Du singst schon wieder falsch. Euch Angelsachsen kann kein Gott Musik beibringen. Ach, die Zauberflöte des Pedell hat mich um Ehre und Deputation gebracht, gerade als mein Ruhm zu den Wolken stieg.«
    Alle lachten. Ein feierlicher Kommers seines Korps hatte die Ziffer »28« gefeiert, nachdem der Korpsbruder Bismarck diesen Rekord in blutigen Mensuren schlug. »In 28 Stürmen hab' ich ihn geseh'n« parodierte der Festredner aus dem Nibelungenlied und verglich Otto mit dem grimmen Hagen: »Der Held war wohlgewachsen, von Beinen war er lang und schrecklich von Gesichte, er hatte herrlichen Gang.« Schrecklich von Gesichte war er nun gerade nicht, sondern sah aus wie ein guter lustiger Junge. Aber sein Ruhm reichte bis zum Himmel, wie des klugen Odysseus, bis zum Studentenhimmel von Jena, wo ein Seniorenkonvent sich die Ehre ausbat, den berühmten Fechter in dortiger Mitte zu begrüßen, um sich mit dem besten Schläger von Jena zu messen. Einer so liebevollen Herausforderung mußte unverzüglich Folge geleistet werden, und der Chargierte Bismarck, der Stolz seines Korps, begleitet von würdevollen Sekundanten, machte sich auf zum grünen Saalestrande. »Jena is zwar 'n fataler Name für jeden Preußen, aber die Schlacht von Jena wollen wir liefern, und ob der olle Napolium sich vor Freude im Grabe umdreht über den Bruderkrieg wie zur schönsten Rheinbundszeit.« Ach, die lieblichsten Träume gehen nicht in Erfüllung, die deutschen Brüder sollten nicht die Klinge kreuzen. Denn das Rektorat von Göttingen, das schon lange einen Zahn auf den Unheilstifter hatte, entsandte spornstreichs den Ober-Pedell hinterher. Unter dem düsteren Kantus »Die Scharwach hält das Schwert gezückt« geleiteten fromme Häscher den edeln Kämpen zurück in sein fideles Gefängnis.
    »Scheiden tut weh, Kinder. Ich werd' Göttingen mein Lebtagnicht vergessen. Bin hier freilich von mancher Eselei kuriert. Mit den Burschenschaftern hab' ich's gründlich verdorben. Nach dem faulen Frankfurter Putsch können mir all die Einheitsapostel gewogen bleiben.«
    »Nun ja, eine Kinderei, ein Aprilscherz«, stimmte Motley bei. »Aber Kinderkrankheiten muß jeder durchmachen, auch eine Nation. Laß das doch deine liberale Gesinnung nicht anfechten!«
    »Tut's aber. Staatsordnung muß sein, darauf werden wir Preußen geschult. Aus solchen Tumulten wird nie 'was Solides. Wenn täppische Hände in das Räderwerk eingreifen, steht es wohl einen Augenblick still, aber wird nicht besser renoviert, weil man Ruß und Schweiß an die Speichen klext.« Bei solchen gelegentlichen Äußerungen sah der junge Mensch merkwürdig reif und männlich aus.
    »Nun macht der auch noch Sprüche und red't wie ein Buch!« brummte Coffin unbehaglich.
    »Aber in flüssiger bildlicher Sprache!« Motley sah ihm nachdenklich ins Auge. »Hör' mal, Bismarck, ich glaube an dich, daß du etwas leisten könntest.«
    »Aber was? That is the question. « Otto paffte gewaltig aus seiner Porzellanpfeife und mischte sich einen echtschottischen Toddy. »Ich tauge zu gar nichts für dies praktische moderne Leben, wo das Sitzfleisch im Allerwertesten als Allerweltswappen der Staatshämorrhoidariusse prangt. Bah, gaudeamus igitur , solange wir noch behaupten können juvenes dum sumus . Bald wird's heißen: Silentium! Exercitium salamandris ex est! Dann stauben die Schläger im Winkel, kein Aktiver steigt mehr in die Kanne. In Berlin sind Rappiere aus der Mode, dafür hat man seidene Regenschirme. So kommen die alten Tage heran, und man kriegt das Zipperlein.«
    »Eher das Fettherz und den Schmerbauch«, flocht King ein, »wenn du weiter beim Bier bleibst. Die Gicht ist aristokratischer, kommt von Rheinwein und Port.«
    »Hm, die beiden Pitt, Vater und Sohn, hatten auch die Gicht.« Motley sah tiefsinnig in sein Glas. »Das hat sie nicht gehindert, andern auf die Zehen zu treten.«
    »Die Pitts?« Bismarck fuhr auf. »Na, die hatten ja das gleiche Pläsier wie dein Richelieu, einen verrückten, bornierten Monarchen in ihrem Sinn zu gängeln. Ihr Amerikaner wißt davon ein Lied zu singen. Was übrigens dies England immer für ein Schwein gehabt hat! Natürlich, allein auf ihrer Insel – von da die Fangarme über den Globus strecken – die
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