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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals
Autoren: Jörg Juretzka
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Basketballtreter sind unter bestimmten Umständen nur äußerst mühsam vom Fuß zu schälen. Und wenn man an den Schuhen scheitert, macht es keinerlei Sinn, es anschließend mit der Hose zu versuchen, und so führt dann eins zum andern und man braucht sich am nächsten Morgen nur etwas Wasser ins Gesicht zu werfen und ist bereit für den neuen Tag.
     
    Der Smart parkte immer noch vor dem Rosa Lollipop, immer noch mit offenen Scheiben, immer noch quer zur Fahrtrichtung. Der einzige feststellbare Unterschied war der, dass sich in der Zwischenzeit jemand die Mühe gemacht hatte, den Mülleimer der nahen Bushaltestelle abzureißen und ihn kopfüber ins Wageninnere zu kippen. Auch noch auf der Fahrerseite.
    Volksgeißel Vandalismus, dachte ich bitter. Und die Polizei sieht tatenlos zu.
    Keine Schlüssel, nagte es. Manchmal ist man ja regelrecht dankbar für diese Art von Ablenkung.
    Keine Schlüssel.
    Ich wandte mich ab und ließ den Wagen und seinen stinkenden Inhalt erst mal, wie er war.
    Wann, fragte ich mich, wann und unter welchen Umständen warst du selber das letzte Mal ohne Schlüssel anzutreffen? Abgesehen von der Zeit in Wuppertal, als alles Schließen für dich erledigt wurde? Wann bist du das letzte Mal ohne den ganzen üblichen, ringgebundenen Taschenballast herumgelaufen? Lange her. Vor Punckonzerten, fiel mir ein, mit ihren klamottenschreddernden Pogo-Rempeleien, haben wir immer alles bis aufs Biergeld im Auto gelassen. Und den Autoschlüssel dann im Auspuff-Endrohr oder sonstwo versteckt.
    Ich ging ein bisschen suchend umher. Suchend und sinnend.
    Obwohl längst früher Nachmittag, standen immer noch vereinzelt ein paar Cabrios in der Nähe herum, genauso wie der eine oder andere unvermeidbare, in gewissen Kreisen ach so kultige, ältliche Benz. Verstreute Überbleibsel der langen und dichtgedrängten Parkreihen letzter Nacht. Sie interessierten mich nicht.
    Mal davon ausgegangen, der Tote wäre wirklich Russe. Was ist das typische Russenauto? Der sehr erfolgreiche Businessman fährt einen Brabus, möglichst groß. Der durchschnittlich erfolgreiche Businessman, vor allem einer mit einem, sagen wir, gespannten Verhältnis zu den Strafverfolgungsbehörden, fährt BMW M5, möglichst breit. Beiden gemein ist jedoch, dass sie selten allein genug auftreten, um Gefahr zu laufen, von zwei Mann vor ein fahrendes Auto gestoßen zu werden. Was also fährt der einsame, weniger erfolgreiche Russe? Und wo parkt er, mal angenommen, er möchte nicht auffallen oder hat Grund zu der Annahme, man könne ihm Böses wollen? Nicht hier, an der Hauptverkehrsstraße. Zumindest nicht, wenn er ein ähnliches, fluchtorientiertes Denken an den Tag legt wie ich. An der Hauptstraße zu parken heißt, an derselben Verkehrsader zu stehen wie die mögliche Opposition. Und wenn die dann ein schnelleres Auto hat als du, bist du gefickt.
    Ich würde eine Seitenstraße nehmen, wenn möglich so eine, die durch solide Poller oder Pflanzkübelmöblierung zur Einbahnstraße verplant wurde, und zwar direkt an der Einmündung. Dadurch braucht man im Notfall nur über das Hindernis zu hechten, ins Auto zu springen und ist seine Verfolger mit einem Schlag los. Noch während ich mir das zurechtlegte, stoppte ich meinen Schritt hinter einem mit dem Arsch in Richtung Betonpfeiler und der Nase Richtung Ausfahrt Sackgasse geparkten Lada 1500 in wunderbar patiniertem Blassorange und mit Litauer Kennzeichen. Mein Toter und ich waren, schien’s, tatsächlich Kinder der gleichen konspirativen Denkungsart. Nur dass es ihm nichts mehr genutzt hatte, erinnerte ich mich mit leichtem Schaudern. Wer immer ihn erledigt hat, hätte damit unter denselben Umständen womöglich auch mich erwischt. Das war kein komfortabler Gedanke. Schließlich liefen diese Typen noch herum, und ich wollte ihnen ans Leder.
    Der Wagen war nicht abgeschlossen, und nach versteckten Schlüsseln zu suchen erübrigte sich, als mir beim Griff hinters Zündschloss der durchtrennte und teilweise wieder zusammengezwirbelte Kabelsalat entgegenkam. Kryszinski sitzt und hinterlässt seine Fingerabdrücke in einem geklauten Auto, dessen Fahrer ermordet wurde.
    Ich lehnte mich zurück, sah mich um, fühlte mich beinahe zu Hause. Da waren einige Ähnlichkeiten mit meinem Auto festzustellen. Ein Lenkradkranz, gerade mal fingerdick, aus Hartplastik und mit einem verchromten Hupring in der Mitte, robuster Schalthebel an der Lenksäule, simple, solide klackende Schalter im Armaturenbrett aus lackiertem
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