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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde
Autoren: John Irving
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leid tun«, hatte sein Vater gesagt. »Dem
Hund ist es wesentlich schlechter ergangen.« (Hugo hatte den Hund umgebracht,
weil das Tier sein Ohrläppchen gefressen hatte, erfuhr Jack später von Dr.
Horvath.)
    Es war unschwer zu erkennen, was Dr. von Rohr und Dr. Krauer-Poppe
gegen Hugo hatten. Er war nicht der Typ von jungem Mann, den gebildete,
anspruchsvolle Frauen sympathisch [1121]  fanden: Nicht viele Frauen würden sich zu
ihm hingezogen fühlen. Leider sah Hugo nicht nur aus wie ein Bodyguard, sondern
hatte auch die entsprechende Persönlichkeit.
    Die jüngeren Schwestern des Sanatoriums Kilchberg, die Schlange
standen, um William rasieren zu dürfen, hätten Hugo nicht einmal guten Tag
gesagt. Die älteren Frauen dort – einschließlich seiner Schwester Waltraut und
der Ärztinnen – kommandierten ihn wahrscheinlich herum. Hugo war ein Klotz: Er
wußte sich gar nicht anders zu benehmen. Doch zumindest hatte Jack in ihm
jemanden kennengelernt, der ihm sagen konnte, wo es in Zürich ein gutes Fitness-Studio
gab. Und er sah gleich bei ihrer ersten Begegnung, daß Hugo seinen Vater
geradezu verehrte.
    Als junger Mann, der sich mit Prostituierten einließ, hatte Hugo
dank seiner Freundschaft mit einem gutaussehenden älteren Herrn wie William
Burns in diesen Kreisen zweifellos an Ansehen gewonnen.
    »Hugo!« rief Jacks Vater dem großen Kerl wie einem alten Freund zu.
»Ich möchte dich mit meinem Sohn Jack, dem Schauspieler, bekanntmachen.« (Als
Schauspieler hatte er Jack auch sämtlichen Fahrgästen des 161er Busses
vorgestellt.)
    Er hatte darauf bestanden, daß er, Jack und Dr. von Rohr mit dem Bus
von Kilchberg nach Zürich fuhren. Er war stolz darauf, wie gut er sich mit dem
öffentlichen Nahverkehrssystem auskannte, und wollte Jack demonstrieren, daß er
bei seinen Einkaufstouren mit Waltraut und seinen anderen Touren mit Hugo
normalerweise mit dem Bus in die Stadt und wieder zurück fuhr. (Der schwarze
Mercedes blieb nächtlichen Fahrten vorbehalten.)
    Die meisten Fahrgäste des Busses schienen Jacks Vater zu kennen, und
er hatte zu allen gesagt: »Ich möchte Sie mit meinem Sohn Jack, dem
Schauspieler, bekanntmachen.«
    »Ich habe alle Ihre Filme gesehen«, sagte Hugo, nachdem er sich Jack
vorgestellt hatte. »William und ich haben sie uns [1122]  zusammen angesehen. Sie
werden niemals alt!« rief er und schüttelte Jack ausgiebig die Hand.
    Jack sah den Blick, den Dr. von Rohr und Dr. Krauer-Poppe wechselten
– als wäre das Wort alt ein Auslöser oder könnte es
in bestimmten Zusammenhängen sein. Doch diesmal nicht. Jacks Vater lächelte,
und dabei schwankte er vielleicht eher, als daß er auf den Fußballen federte.
(Entweder war das Wort alt kein Auslöser, oder die
Tablette, die Dr. Krauer-Poppe ihm gegeben hatte, zeigte Wirkung.)
    »Ich verabschiede mich nicht von dir, Jack«, sagte sein Vater zu
ihm. Er schlang Jack die Arme um den Hals. Sein Kopf sank so leicht wie der
eines Babys an Jacks Brust.
    »Sie müssen sich nicht von Jack verabschieden, William«, sagte Dr.
von Rohr. »Sagen Sie einfach ›bis morgen‹ zu ihm. Sie sehen ihn ja morgen früh.«
    »Bis morgen, Pop.«
    »Bis morgen«, flüsterte sein Vater. »Ich stelle mir jetzt schon vor,
daß ich dich ins Bett bringe, mein lieber Junge, oder vielleicht bringst du
auch mich ins Bett.«
    »Ich fürchte, es wird Zeit, daß Hugo Sie ins Bett bringt, William«,
sagte Dr. Krauer-Poppe zu ihm.
    »Ach, wie schön«, sagte Jacks Vater und ließ seinen Sohn los.
    Jack küßte seinen Vater auf den Mund, ein trockener Kuß, bei dem er
lediglich mit fest geschlossenen Lippen dessen Mund streifte, wie Heather es
ihm beigebracht hatte. William küßte seinen Sohn ebenso.
    »Ich weiß, was du mitgemacht hast, mein lieber Junge. Wie ich sehe,
hast du deine Schwester geküßt!«
    Jack ging ein Risiko ein, aber er hatte das Gefühl, daß es der
richtige Zeitpunkt war. Immerhin waren Hugo und zwei Ärztinnen dabei, falls
etwas schiefging.
    »Ich liebe dich, Pop«, sagte Jack zu seinem Vater, ohne [1123]  Rücksicht
darauf, ob das Wort Liebe ein Auslöser war oder
nicht. »Ich liebe jeden Zentimeter deiner Haut. Ich meine es wirklich ernst.«
    Hugo machte ein Gesicht, als hätte er Jack am liebsten eine
geknallt. Dr. von Rohr und Dr. Krauer-Poppe behielten William im Auge. Wie
würde sich das Wort Haut auswirken?, fragten sich
alle. Befanden sie sich auf einem Terrain, wo es kein Halten mehr gab, oder war
das Wort Haut in diesem Zusammenhang
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