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Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource

Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource

Titel: Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
Autoren: Carsten Neßhöver
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die durch die gesundheitsfördernde Wirkung des Waldes vermieden werden, dürften die Kosten um ein Vielfaches übersteigen. Und auch die Identifikation mit „unserem Wald“ mag eine Rolle spielen – viele Freiburger holen sich einmal im Jahr ihr Brennholz aus dem Wald und treffen sich zu einem Holzfest, wo die Parzellen zum Holzmachen versteigert werden. Auch gibt es in Freiburg diverse Waldkindergärten und einen Seilgarten zur Naturerfahrung – eine Wertschöpfung des Waldes in Form von fünfzehn und mehr Arbeitsplätzen.
    Diese komplexe Wertschätzung des Freiburger Stadtwaldes drückt sich auch politisch aus – in der Freiburger Waldkonvention von 2001. Dort wird festgelegt, dass die Leistungen des Waldes – Holzproduktion, Erholung und Klimaschutzfunktion – für das lokale Klima ebenso wie für die Kohlenstofffestlegung gleichberechtigt nebeneinanderstehen sollen. Ökonomischer, ökologischer wie sozialer Nutzen sollen optimiert werden. Das Freiburger Forstamt spricht hier sogar von drei „Produktlinien“: Holz, Ökologie und Freizeit. Es geht also nicht mehr um maximalen Gewinn (wie heute noch in vielen anderen Forstämtern), sondern um den maximalen Gesamtnutzen. Das bedeutet für das Forstamt, auf Einnahmen aus einem verstärkten Holzverkauf zu verzichten und damit auch die Ausgaben für das Wegenetz für die Erholung weniger kompensieren zu können und möglicherweise auf einen Zuschuss aus der Stadtkasse angewiesen zu sein.
    Letztlich finden damit in der Freiburger Waldnutzung alle drei Ebenen des TEEB-Dreiklangs Anwendung: Eine allgemeine Wertschätzung des Waldes (Stufe 1) verbindet sich mit der Analyse und Darstellung von ökonomischen Werten, etwa durch Besucherzahlen und Arbeitsplätze durch den Wald (Stufe 2). Die dritte Stufe zeigt sich in der Holzwirtschaft – wie in jedem bewirtschafteten Wald. Theoretisch könnte man auch einen Schrittweiter gehen und die 23 Cent an Kosten für die Erholungsfunktion über ein Eintrittsgeld erheben oder eine Waldnutzungsabgabe für alle Haushalte einführen. Aber auch hier ist der Konsens in Freiburg eindeutig – man will das nicht. Die anderen ökonomischen Einnahmen des Forstbetriebs müssen dies kompensieren. Es gelingt, den sichtbaren volkswirtschaftlichen Nutzen des Waldes, ausgedrückt in den Preisen und Kubikmetern des verkauften Holzes, mit öffentlichen Leistungen und Gütern des Waldes in einem Konzept zusammenzubringen. Durch die naturnahe Waldwirtschaft, die sich daraus ergibt, profitiert auch die Biodiversität. Ein Dreiklang klingt eben nur, wenn all drei Töne richtig getroffen sind.
    Das Freiburger Beispiel zeigt Möglichkeiten auf der lokalen Ebene. Es gibt aber auch nationale Ansätze, um zum Beispiel die Regulationsleistungen von Wäldern nicht nur sichtbar zu machen, sondern auch durch Zahlungen für deren Erhalt zu einen sichtbaren Gut zu machen. Mexiko hat 2003 ein solches Zahlungssystem eingerichtet. Es ermöglicht es, einen Teil der Einnahmen aus Wassergebühren für Schutzmaßnahmen der Wälder einzusetzen. So können Waldbesitzer staatliche Zahlungen beantragen, wenn sie sich verpflichten, Waldflächen zu erhalten und eine Umwandlung in landwirtschaftliche Flächen zu unterlassen. Dabei werden Gebiete bevorzugt behandelt, die für die Grundwasserneubildung, die Gewässerqualität und auch den Hochwasserschutz besonders wichtig sind. Auch das Ausmaß der Armut und des Entwaldungsrisikos werden berücksichtigt. In den ersten sieben Jahren beteiligten sich 3000 Waldbesitzer an dem Programm, mit einer Fläche von über 2,3 Millionen Hektar. Es wurden Zahlungen im Wert von mehr als 300 Millionen US-Dollar ausgeschüttet, und die Entwaldungsrate reduzierte sich von 1,6 auf 0,6 Prozent pro Jahr. Gleichzeitig wurden damit Emissionen von 3,2 Millionen Tonnen CO 2 -Äquivalenten vermieden.
    Diese Beispiele verdeutlichen, dass sich die verschiedenen Werte und Wertsichtweisen der Menschen zusammenbringen lassen. Die verschiedenen „Nützlichkeiten“ der Natur können nebeneinandergestellt und Lösungen gefunden werden, wie sie gemeinsam genutzt werden können – für eine bestimmte Zeitspanne. Denn ebenso, wie es integrierte Bewertungen geben kann, ändern sich auch die Sichtweisen auf den Stellenwert einzelner Werte. Vor zwanzig bis dreißig Jahren hätten nur sehr wenige Experten der Kohlenstoffspeicherfunktion von Wäldern und Mooren einen hohen Wert beigemessen. Heute ist dies anders. Vor zweihundert Jahren war die Wahrnehmung der
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