Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes
Autoren: Brigitte Glaser
Vom Netzwerk:
und einige Mitglieder der Confrérie des Rieslinger und hießen die Gäste mit einem Vin d’honneur und einem Stück Gugelhupf willkommen.
    Kein Wölkchen trübte den blauen Himmel, in den Blumenkübeln summten die Bienen, unter der Mairie plätscherte der Aubach, auf dem Platz davor schnatterten und tratschten Badener und Elsässer in breitem Alemannisch, das auf beiden Seiten des Rheins gesprochen wird. Man trank auf die deutsch-französische Freundschaft, auf Gesundheit und Wohlstand und auf die nächsten fünfundvierzig Jahre.
    Nachdem wir alle für ein Gruppenfoto posiert hatten, fragte ich einen der Elsässer nach einem Taxi und versprach Martha, in spätestens einer Stunde zurück zu sein.
    Kientzville, wo Antoinette wohnte, lag ungefähr drei Kilometer von Scherwiller entfernt. Als die ersten Bullerbü-Holzhäuschen auftauchten, überkam mich plötzlich die Angst, zu spät zu kommen. So wie ich vor vier Jahren bei Rosa zu spät gekommen war. Antoinette hatte die achtzig längst überschritten, ob sie überhaupt noch lebte? Und wenn ja, ob sie noch in ihrem Häuschen wohnte?
    Doch als das Taxi vor ihrem Haus anhielt, trat sie vor die Tür, als hätte sie mich erwartet. Immer noch groß und kräftig, immer noch mit rot bemalten Lippen, immer noch mit wachen Augen, dazwischen die mächtige Habichtnase. Ein Fels in der Brandung des Lebens, das es oft nicht gut mit ihr gemeint hatte. Der Großvater war 1915 am Hartmannsweiler Kopf gefallen, der Vater 1943 in Stalingrad, der Mann war 1956 bei einem Autounfall ums Leben gekommen, der Sohn 1969 im Atlantik ertrunken. Ein Leben mit vier toten Männern im Gepäck. »Dodron gehscht kabutt, oder ’s schtählt dich für din reschtliches Läwe«, hatte sie mal gesagt und damit klargemacht, welchen Weg sie gewählt hatte. Ich bezahlte eilig das Taxi und lief auf sie zu.
    Â»Catherine! Quelle surprise! « Sie umarmte mich und hüllte mich mit dem Duft ihres Parfüms ein, das sie nie gewechselt hatte. Die drei bisous , dann sagte sie: »Ich wollt grod zu minere petite promenade aufbreche, da kommschd du. Jetzt gehsch mit. Mais alors , warum bisch do?«
    Ich bemerkte, dass sie einen Stock benutzte und recht wackelig auf den Beinen war. Sehr langsam spazierten wir durch die kleinen Straßen, vorbei an den Holzhäuschen, die der Textilfabrikant Kientz nach dem Krieg von deutschen Kriegsgefangenen für seine Arbeiter hatte aus dem Boden stampfen lassen. Kientzville war damals als Frankreichs jüngstes Dorf bekannt geworden. Manche Häuser sahen noch so aus wie früher, andere hatten An- und Umbauten verändert, ein Neubaugebiet war hinzugekommen. Aber für mich verlor der Ort trotzdem nichts von seinem Bullerbü-Charme. Seit meinem ersten Besuch war ich davon überzeugt, dass in diesem Dorf nur fröhliche Kinder in glücklichen Familien aufwuchsen.
    Natürlich wusste Antoinette von dem Fest und dem Wettkochen, und sie würde kommen, denn der Maire hatte alle, die beim ersten Mal dabei waren und noch lebten, besonders herzlich eingeladen. Ein Ehrentisch, schließlich hatten sie damals die Jumelage auf den Weg gebracht und mit Leben gefüllt. Wenn Rosa doch noch leben würde …
    Rosa und Antoinette hatten sich bei diesem ersten Treffen kennengelernt und mir die Geschichte dazu mehr als einmal erzählt. Rosa hatte sich sofort beim Bürgermeister gemeldet, um mit von der Partie zu sein, als die Fautenbacher zum ersten Mal ihr französisches Partnerdorf besuchten. Antoinette dagegen hatte lange gezögert, bevor sie auf der Mairie anmeldete, einen deutschen Gast beherbergen zu wollen. Etliche im Dorf, erzählte Antoinette immer wieder, waren dagegen gewesen, als Maire Haag für Scherwiller als Partnerdorf das deutsche Fautenbach vorschlug. Mit den Deutschen wollte man nach dem Krieg nichts mehr zu tun haben. Für Antoinette war letztendlich de Gaulle, den sie sehr bewunderte, ausschlaggebend. Das Bild, wie de Gaulle Adenauer nach der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages umarmte. Wenn der General mit den Deutschen Frieden schließen konnte, dann wollte sie das auch. Außerdem war sie sehr neugierig auf die Besucher aus Deutschland gewesen.
    Und so hatte sie Rosa kennengelernt. Beide waren verwitwet und alleinstehend, beide ungewöhnlich selbstbewusst und selbstständig. Zwei, die sich nicht gesucht, aber dennoch gefunden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher