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Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Titel: Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)
Autoren: Thomas Müller
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als das Nachvollziehbarere. So bewarb ich mich als Teilzeitreiseleiter, fuhr mit Autobussen, flog mit Flugzeugen, organisierte für andere Menschen Gruppenausflüge. Ich lernte neue Schicksale, Charaktere und außergewöhnliche Biografien kennen. Was mich dabei am meisten faszinierte, war die Naivität mancher Menschen, wie sie auf den Verlust der Kommunikationsmöglichkeiten reagierten, was automatisch der Fall ist, wenn man der Landessprache nicht mächtig ist. Einerseits verfielen sie in eine unglaubliche Abhängigkeit, andererseits stieg die Aggression. Aber auch diese Beobachtungen waren nur rein subjektiv, obwohl sie Jahre später noch eine sehr interessante Bedeutung erhalten würden. Erst der zweite Studienabschnitt mit den Bereichen der Sozialpsychologie, der angewandten Psychologie und dem Lehrfach Psychiatrie für Psychologen zog mich geradezu magisch in seinen Bann. Nun erhielt ich erstmals verschiedene vorgegebene Cluster, festgesetzte Klassifikationsmerkmale, wie ich abweichendes und nicht mehr nachvollziehbares Verhalten einordnen, definieren und klassifizieren konnte. Bestimmte Merkmale mussten erfüllt sein, um in eine bestimmte Kategorie gebracht zu werden. Die Informationen mussten eine bestimmte Qualität aufweisen, sie mussten überprüfbar sein, nachvollziehbar. Ich erkannte zum ersten Mal, dass Entscheidungsprozesse gewissen Regeln folgten, dass menschliches Verhalten bedürfnisorientiert ist und dass nicht das Verhalten, sondern die Bedürfnisse die Individualität ausmachten.

9.

    Es waren die einfachen Dinge, welche die komplexesten Probleme, die ich während meiner Datensammlungsphase noch hatte, plötzlich erklärten. Verhalten ist bedürfnisorientiert. Wir alle treffen jeden Tag ganz besondere Entscheidungen. Das Auto, welches wir fahren, die Krawatte, die wir tragen, oder der Schreibtisch, den wir beim Verlassen des Büros in einer bestimmten Art zurücklassen. Der eine hinterlässt um 23.00 Uhr, wenn er nach Hause geht, ein absolutes Chaos, der andere bringt die Bleistifte, seine Stempelkissen und das Kabel seines Telefons noch einmal in Ordnung. Warum? Weil es für ihn wichtig ist, weil er bestimmte Entscheidungen fällt, um damit ein persönliches Bedürfnis zu befriedigen. Bedürfnisse sind aber so individuell, wie es verschiedenartige Menschen gibt, und daher reagieren wir in der Regel alle unterschiedlich. Ich lernte von Sigmund Freud, dass uns „unsere Persönlichkeit jeden Tag aus allen Poren dringt“, weil wir bestimmten Bedürfnissen folgend bestimmte Entscheidungen treffen. Wenn es uns also gelingen würde, über die Entscheidung eines Menschen auf dessen Bedürfnisse zu schließen, und weil die Bedürfnisse individuell sind, könnten wir eine Person aufgrund ihrer getroffenen Entscheidungen individuell klassifizieren. Wir könnten einer bestimmten Person eine bestimmte Anzahl von Entscheidungen zuordnen oder umgekehrt bestimmte getroffene Entscheidungen einer bestimmten Person. Das war es, was ich gesucht hatte. Die Ordnung im Chaos. Die Zuordnungsmöglichkeit einzelner Entscheidungen zu einem Individuum. Verglichen mit den Tausenden Einzelinformationen, die ich im Laufe der Zeit gesammelt hatte, war mir aber auch relativ rasch klar, dass es so etwas wie „pragmatische Entscheidungen“ geben musste. Entscheidungen, die wir zu treffen haben, um schlichtweg zu überleben. Entscheidungen, die wir treffen, um ein bestimmtes notwendiges Ziel zu erreichen. Aber dann erinnerte ich mich an Dutzende, ja Hunderte einzelne Beobachtungen, die mit einer pragmatischen Notwendigkeit nichts mehr zu tun hatten. So waren mir noch viele Fahrzeuge in Erinnerung, die im Hochsommer durch einen Karton vor der Hitze geschützt wurden, Fensterscheiben, die einen Spalt offen blieben, um die Hitze aus dem Auto zu lassen. Ich erinnerte mich an Eingangstüren, die mit drei oder vier Schlössern versehen waren, und an Unterstandslose, die im Winter mit ganzen Zeitungsstapeln unter dem Arm ihr Nachtquartier aufsuchten, um sich vor der Kälte zu schützen. Aber ich erinnerte mich auch an diverse Plüschtiere im Auto, Samurai-Schwerter, die an Wohnungstüren genagelt waren, und Sozialhilfeempfänger, die ihre Wohnung mit Tausenden von einzelnen Müllstücken zugestopft hatten. Es gab also offensichtliche Entscheidungen, die ich noch aufgrund meiner eigenen Lebenserfahrung zuordnen konnte, andere wiederum nur noch deshalb, weil ich sie mir von anderen erklären ließ, um diese Erklärungen damit
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