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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Autoren: Frederik Berger
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seufzte, kramte in den Papieren und zog ein paar zusammengeheftete Seiten hervor. »Hier, der Beginn ihrer Autobiographie! Leider ist sie nicht weit gekommen, die alte Dame. Wahrscheinlich starb sie. Oder litt an altersbedingter Amnesie. Wissen Sie …«
    Fürst del Drago unterbrach sich, trat wieder ans Fenster und blickte plötzlich verloren über den See. »Eigentlich wollte ich selbst eine Biographie über den Papst und seine Geliebte schreiben. Aber es wurde immer ein Roman daraus. Irgendwann gab ich es auf. Ich lebe ja mit meiner geliebten Silvia, kann ihr täglich in die Augen schauen. Was muß ich einen Roman über sie schreiben! Aber Sie, Sie können es versuchen. Ich bin nicht eifersüchtig. Finden Sie heraus, wie Silvia gelebt und geliebt hat!«

TEIL I
DAS ENDE DER UNSCHULD

1. K APITEL
    Silvias Mutter hatte ihr erstes Ziel erreicht. Das Oberhaupt der Orsini-Familien lud Rufino Ruffini, seine Gemahlin sowie seine Tochter auf die Burg am Lago Bracciano ein, um die Möglichkeit einer Ehe zwischen einem der zahlreichen Orsini-Söhne und Silvia auszuloten. Es war das Jahr des Herrn 1486, Papst Innozenz VIII. Cibò war Oberhirte der Christenheit.
    Silvia schlief die letzte Nacht vor dem Aufbruch schlecht, weil sie wußte, daß große Veränderungen sie erwarteten. Noch trennten sie drei Jahre vom heiratsfähigen Alter, aber wäre erst einmal der Ehevertrag geschlossen, dann zählte nur noch ihre Zukunft als Mutter, vorbei wären die unbeschwerten Tage der Kindheit, die langen Sommer in Frascati, der Wind in ihren Haaren, während sie den großen Olivenhain entlangritt, über die blumengesprenkelte Wiese … Übergangslos wechselte sie vom Grübeln in einen Traum. Noch immer sah sie das Bild der Wiese vor sich und an seinem Rand einen sich schlängelnden Fluß, in dem sie schwimmen wollte. Ihre Brüder winkten ihr lachend zu. Aber dann verschwand einer nach dem anderen, und schließlich hörte sie von dem ältesten nur die dunkle Stimme; er wandelte, versteckt unter einer Kutte mit weit übers Gesicht gezogener Kapuze, über die Engelsbrücke zur Burg der Päpste und weiter in Richtung San Pietro. Sie rannte ihm nach, bis er sich in einem grellen Lichtschein verlor und sie schweißgebadet aufwachte.
    Schnell zündete sie eine Kerze an und versuchte zu beten. Aber es wollte ihr nicht gelingen, weil das Bild ihres ältesten Bruders nun nicht mehr gnädig eingehüllt vor ihr stand. Der abkühlende Schweiß auf ihrer Haut ließ sie zittern, und ihr Herz schlug schnell und heftig. Bei der Engelsbrücke hatten sie ihn aus dem Tiber gezogen und auf einem Handkarren zum Ehernhaus im Rione della Pigna gebracht. Zufällig befand sich ein Stoffband mit seinem Namen an den Resten der Kleidung; sonst hätte man ihn gleich ins Massengrab geworfen, in dem die Heilige Stadt ihre zahlreichen unbekannten oder unkenntlichen Toten begrub.
    Silvia stand fassungslos vor dem Bruder, neben ihr der Vater, der ihren Kopf an sich drückte, um sie von dem Anblick der entstellten Leiche zu befreien. Die Mutter wandte sich ab und verließ den Raum. Silvia hörte einen langen, verzweifelten Schrei, der in einem tierischen Wimmern verebbte. Dann sprach die Mutter tagelang nicht mehr. Sie schloß sich in ihr Zimmer ein und war nicht zu bewegen, an dem Begräbnis des Sohnes teilzunehmen. Als Silvia ihr wieder begegnete, hatten sich ihre Gesichtszüge verhärtet, die Augen waren überschattet, die Stimme kalt und scharf.
    Obwohl noch gedämpfte Trauerstimmung im Hause herrschte, erklärte die Mutter einige Wochen später, ohne daß das Thema vorher angeschnitten worden war: »Silvia ist zwar erst zwölf Jahre alt, aber wir sollten schon jetzt einen Ehevertrag mit den Orsini abschließen.«
    Silvia erstarrte. Der Vater zögerte mit einer Antwort, warf einen traurigen Blick auf seine Tochter, strich ihr dann über den Kopf. Hilfesuchend drückte sie sich an ihn. Aber die Mutter ließ sich nicht abhalten, Silvia ans Fenster zu ziehen, ungeduldig den Sitz von Hemd, Ärmeln und Gürtel zu richten und ihr einige der unbotmäßigen Haare aus der Stirn zu streichen. Dann eilte sie zu ihrer Aussteuertruhe, hob den Deckel, starrte hinein und ließ ihn wieder geräuschvoll fallen. Sie richtete sich auf und rauschte, offensichtlich ziellos, durch den Raum. Das Seidenkleid schleifte über den Boden, die streng geflochtenen Zöpfe schienen sich am Hinterkopf auflösen zu wollen, so daß sie die Haare mit einer nervösen Bewegung zurechtrückte.
    Schließlich
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