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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Autoren: Frederik Berger
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kirchliche Leben wenig interessierte. So seltsam es auch klingt: Im Grunde war er kein religiöser Mensch. Und dennoch wurde er der erste Papst seit langem, der die überfällige Reform der katholischen Kirche ernsthaft in Angriff nahm, das Konzil von Trient einberief und auf diese Weise den Vormarsch der Protestanten aufhielt. Er war es auch, der die Societas Jesu , den Orden des Ignatius von Loyola, anerkannte. Wie man weiß, stellt dieser Orden die Speerspitze im Kampf gegen die Protestanten dar. Obwohl Alessandro bis an sein Lebensende den großen Plato und den weisen Epikur verehrte, so hat er doch die katholische Kirche davor bewahrt, von den Protestanten überrannt oder zumindest grundlegend verändert zu werden.
    Aber wer dankt es ihm? Sein jetziger Nachfolger auf dem Stuhle Petri, Papst Paul IV. aus dem Hause Carafa, bestimmt nicht. Dieser Mann hält sich für gottesfürchtig und fromm und ist doch nur intolerant und starr. Im Gegensatz zu Alessandro hat er nie geliebt; ja, er scheut sich nicht, den Ruf seines Vorgängers auf dem Stuhle Petri zu beschmutzen.
    Für mich war es schwer, zu ertragen, daß Alessandro mich, die Mutter seiner Kinder, die Frau, die ihn immer geliebt hat, nach der Wahl zum Papst kaum mehr sehen wollte. Er hat mich jedoch in Ehren gehalten und finanziell wohl versorgt. Er versprach mir sogar, mich dereinst ein zweites Mal in Marmor verewigen zu lassen, in San Pietro selbst, an seinem Grabmal, zu seinen Füßen. Als pax oder abundantia . Ich verstand, daß er als das Oberhaupt der Christenheit nicht wie sein unseliger Vorgänger Alexander VI. Borgia vor aller Augen das Zölibatsgebot unterlaufen wollte. Und doch litt ich unter der Vereinsamung.
    Hin und wieder trafen wir uns doch, in Frascati, in der alten Ruffini-Villa, auf der Isola Bisentina, unserer Liebesinsel, oder in Bolsena, dort, wo unser Schicksal sich entschieden hatte. Zum letzten Mal sahen wir uns nach dem Tod unserer Tochter Costanza. Es war ein trauriges Wiedersehen. Er, ein Mann von siebenundsiebzig Jahren, ruderte mich allein zur Insel, in dem rotschwarzen Mantel, in dem er mir in Frascati wie ein griechischer Gott erschienen war. Wir vergossen viele Tränen um unsere Tochter, die neben ihrem Großvater, ihrem Onkel Angelo und ihren Brüdern lag. Wir beteten in der kleinen Kapelle unter den Augen der strengblickenden Apostel. Und ließen uns schließlich auf dem Sirenenfelsen nieder. Alessandro legte seinen Arm um meine Schulter, und ich bettete meine Kopf an seine Brust. Wir schwiegen lange. Ich weinte.
    Er sagte schließlich: »Wäre dieses Mißverständnis nicht gewesen, hätte ich dich geheiratet. Wir hätten im Verborgenen gelebt und wären vielleicht glücklicher geworden. Aber ich wäre heute kein Stellvertreter Christi.«
    »Wir würden aber auch im Verborgenen sterben. Unser Sohn wäre kein Herzog, die Söhne und Enkel wären keine Kardinäle«, betonte ich.
    »Ja, das ist wahr«, antwortete er leise. »Aber hat es sich wirklich gelohnt? Ich begegnete erst kürzlich meinem alten Freund Ugo Berthone wieder. Er warf mir Verrat an mir selbst vor. Ich mußte erfahren, daß der Sohn unseres anderen Freundes Accurse Maynier im Namen der katholischen Kirche ein schreckliches Blutbad unter den waldensischen Häretikern der Provence angerichtet hat. Dieses Blut klebt auch an meinen Händen.«
    Ich widersprach ihm heftig. »Du bist doch nicht verantwortlich für alles Unrecht, das im Namen der Kirche begangen wird. Wenn jemand dafür verantwortlich ist, dann ist es der Allmächtige selbst.«
    Er schien kaum merklich zu nicken und schaute verloren auf das Wasser, das unter uns den goldenen Abendschein der Sonne widerspiegelte.
    »Wofür ist Christus eigentlich am Kreuz gestorben, wenn die Menschheit unerlöst von Blutdurst und Herrschsucht getrieben wird?« sagte er sehr leise. »Wo bleibt die frohe Botschaft der Liebe?« Er schaute mich lange an, keine Miene verzog er, doch Trauer stand in seinen Augen. »Dieses dumme Mißverständnis … Wir hätten uns lieben können, ohne diese Opfer, ohne Heimlichtuerei, auch ohne den Tod von Giovanni – und ich brauchte die schwere Bürde meines Amtes nicht zu tragen.«
    Seine Stimme war so leise geworden, daß ich ihn kaum noch verstand.
    »Glaubst du wirklich, daß ein anderer Weg möglich gewesen wäre?«
    Er nickte.
    »Aber war nicht alles vorherbestimmt?«
    »Wir können uns entscheiden, zum Guten und zum Schlechten, zum Richtigen und Falschen, und ich weiß nicht, ob ich das
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