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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter
Autoren: C Link
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Tasche stecken. Und dann musste sie sich ziemlich verrenken, um an den Schlüssel zu kommen. Würde sie das Messer zwischen die Zähne nehmen? Oder in die andere Hand? John wusste, das war der Augenblick, an dem man sie überwältigen konnte, weil sie nicht imstande war, reflexartig zuzustechen. Es war vielleicht die einzige Chance, die sich bot. Er schätzte die Entfernung zwischen sich und den beiden Frauen ab. Zu weit. Er würde nicht schnell genug da sein.
    Als könnte Tara Gedanken lesen, verharrte sie plötzlich, noch ehe sie nach dem Telefon gegriffen hatte.
    »Zurück«, sagte sie. »Bis zum Auto! Und zwar sofort!«
    Sie begleitete den Befehl mit einem Rucken an der Drahtschlinge. Gillian stöhnte, griff unwillkürlich mit beiden Händen an ihren Hals, ohne dass es ihr gelang, einen Finger zwischen Draht und Haut zu schieben. Die Schlinge lag zu eng.
    John blieb nichts übrig, als sich zu fügen. Langsam wich er zurück.
    »So ist es gut«, sagte Tara, als er neben dem Auto stand. Vorsichtig nahm sie das Messer in die Hand, mit der sie die Schlinge hielt. Mit der anderen ergriff sie das Handy und schob es in ihre Jackentasche.
    Dann versuchte sie, den Schlüssel zu erreichen. Es gelang ihr nicht. Er lag zu weit entfernt.
    In diesem Moment sah John, dass Samson hinter dem Jaguar auftauchte. Er hatte sich tatsächlich unbemerkt entlang der Büsche an den beiden Frauen vorbeigeschlichen, hatte das Auto umrundet und stand jetzt hinter ihnen. Er befand sich nur wenige Schritte von ihnen entfernt. Er besaß nun alle die Vorteile, die John gebraucht hätte, um Tara zu überwältigen: Er war vor allen Dingen dicht genug an ihr dran. Hinzu kam, dass sie nichts von ihm wusste. Wenn er es geschickt anstellte, konnte er noch näher kommen, ohne dass sie ihn bemerkte.
    Wenn er es geschickt anstellte …
    Der Begriff geschickt im Zusammenhang mit Samson erschien absurd, dennoch klammerte sich John nun an diese winzige Hoffnung, die es trotz allem gab. Er selbst hatte nichts anderes tun können, als Taras Befehle auszuführen, und nun stand er hier und war dazu verurteilt, abzuwarten, was als Nächstes geschehen würde. Samson immerhin hatte die Zeit genutzt, sich in eine vorteilhafte Position zu bringen. Der Mann hatte Potenzial. Er durfte jetzt nur nicht seine Chancen wieder verspielen.
    Tara richtete sich notgedrungen wieder auf, zerrte Gillian mit hoch.
    Sie musste sich etwa zwei Schritte weit zur Seite bewegen, um den Schlüssel greifen zu können. John konnte die Wut auf ihrem Gesicht erkennen. Sie wusste natürlich, dass er absichtlich so schlecht gezielt hatte.
    Jetzt, dachte John, jetzt!
    Vielleicht hatte die Gedankenübertragung funktioniert. Samson sprintete plötzlich los. Er, der stets zögerlich, zaudernd, ängstlich agierte, schoss förmlich nach vorne. Er hatte die beiden Frauen in weniger als einer Sekunde erreicht, genau in dem Augenblick, da Tara die Bewegung in ihrem Rücken gehört oder gespürt hatte und herumfuhr. Er prallte mit so viel Wucht gegen sie, dass sie an Gegenwehr nicht mehr denken konnte. Sie ließ Gillian los und fiel zu Boden. Das Messer hielt sie noch immer fest umklammert, und es konnte nur noch eine Sekunde dauern, ehe sie es dem von seiner eigenen Courage überwältigten und nun völlig erstarrten Samson zwischen die Rippen stoßen würde.
    Aber jetzt war auch John zur Stelle. Er stieß Samson zur Seite, kniete auf Taras Brustkorb und entwand ihr mit einem einzigen geschickten Griff die Waffe. Dann sprang er auf und zog Tara langsam auf die Füße, während er ihren Arm auf den Rücken bog.
    »Keine falsche Bewegung«, warnte er, »sonst wird es schmerzhaft.«
    Sie schien plötzlich wie betäubt, denn weder sagte sie etwas noch unternahm sie einen Versuch, sich ihm zu widersetzen.
    Sie war besiegt, und für den Moment war sie zu keiner Vorstellung fähig, wie sie daran noch etwas ändern könnte.
    Dennoch ließ John nicht für eine Sekunde in seiner Vorsicht nach. Sie war eine gefährliche Gegnerin, immer noch. Und sie hatte absolut nichts mehr zu verlieren.
    »Wir gehen jetzt zu meinem Auto«, sagte er, »und zwar langsam. Schritt für Schritt. Befolgen Sie alles, was ich Ihnen sage, dann muss ich Ihnen nicht wehtun. Okay?«
    Sie nickte.
    Er hätte sich gern um Gillian gekümmert, aber das musste warten. Ihrer aller Sicherheit ging jetzt vor. Aus den Augenwinkeln sah er, dass sie mitten auf der Straße kauerte, mindestens ebenso geschockt wie Tara. Aber sie hatte bereits einen
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