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Benjamins Gärten (German Edition)

Benjamins Gärten (German Edition)

Titel: Benjamins Gärten (German Edition)
Autoren: J. Walther
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das Papier fängt knisternd Feuer, ich schichte Holz darüber, dann Kohlen. Ich stelle eine Pfanne auf den Herd und schäle Kartoffeln. Ich bin hungrig, normalerweise frühstücke ich um acht. Ich schneide die Kartoffeln in dünne Scheiben. Koche Kaffee. Als die Kartoffeln braun sind, schlage ich zwei Eier daneben. Schließlich schaufle ich alles auf einen Teller. Ich setze mich an den Küchentisch...

    … lasse die Beine baumeln, beobachte, wie die trockenen Häutchen der Zwiebel auf den Tisch segeln, wie meine Mutter das tränentreibende Gemüse klein schneidet. Reibe mir die Augen, um genauso zu weinen wie sie. Ein Lächeln huscht über ihr schweißfeuchtes Gesicht. Gerüche ziehen vom Herd herüber, machen die Küche zu einer dunstigen Welt, verwandeln unscheinbare Zutaten in wunderbare Gerichte, die sich warm in meinem Bauch ausbreiten. Ich frage sie über die Zutaten aus, will auch kochen lernen. Doch sie belehrt mich, dass ich ein Junge bin, so etwas nicht zu wissen brauche. Ich solle lieber zu meinem Vater in den Schuppen gehen...
    ... Ich schaue auf den Teller. Das Ei ist an den Rändern angebrannt, die Bratkartoffeln zu hart geblieben. Es wäre besser gewesen, sie hätte mich bleiben lassen.
    Ich esse auf, gehe dann hinüber ins Wohnzimmer. Auch hier ist es kalt. Ich ziehe einen dicken Pullover an und heize den großen alten Kachelofen. Er qualmt und will nicht anbrennen. Ich stopfe Papier nach, schließlich brennt das Feuer, ich schließe die gusseiserne Klappe. Ehe der ausgekühlte Ofen Wärme abgeben wird, werden Stunden vergehen.
    Mit einer Decke setze ich mich in den großen Ohrensessel meines Großvaters, der in einer Ecke thront. Er liebte es, von diesem Sessel aus den Raum zu überblicken. Staub tanzt in den Sonnenstrahlen, die durch die tief liegenden kleinen Fenster hereinfallen. Ich habe nur eine einzige Erinnerung an ihn. Er saß in diesem Sessel, schien sehr weit oben, strich mir übers Haar und reichte mir eine Praline aus seiner großen Schachtel herunter. Er starb, als ich vier war.
    Manchmal geht er durch das Haus, das einmal seins war. Besonders an langen Sommerabenden in der Dämmerung. Setzt sich auf das rote Sofa, nimmt etwas von der dunklen Anrichte. Geht in den Garten. Ich bilde mir dann ein, seinen langen Schatten im hohen Gras zu erkennen.
    Weil der Ofen immer noch qualmt, öffne ich ein Fenster. Die Luft draußen trägt schon den Geruch des Frühlings in sich, aber ihre Wärme dringt nicht ins Haus. Es wartet genauso wie ich darauf, dass die Frühlingssonne die dicken Mauern durchwärmt. Ich lege meine Hand an die Fensterlaibung, dort wo ein Streifen Sonne sie trifft. Im Haus ist es stiller geworden, einsam. Es wartet auf neues Leben in seinen Mauern.
    Meine Mutter erzählte mir gern Geschichten von meinem Großvater. Sie hatte einen Plattenspieler mit in die Ehe gebracht und Opa schimpfte über dieses Ding. Doch einmal beobachtete sie durch das geöffnete Fenster, wie er in seinem Sessel saß und eine Platte aufgelegt hatte. Sie stritten sich über manche Neuerung, die seine Schwiegertochter einführte und dann knurrte er » Städterin« vor sich hin. Aber im Grunde war er stolz auf sie. Mutti erzählte mir mit geröteten Wangen, dass er gesagt hatte, sie sei eine Schönheit. Das war sie auch. Groß und schlank, ihre hochgesteckten hellbraunen Haare ließen sie wie eine Dame von einem Jugendstilgemälde wirken.
    Ich wende mich vom Fenster ab. Der Kachelofen qualmt immer noch, sein Gestank erfüllt den Raum. Es hilft wohl nichts mehr, ich muss ihn mir vornehmen. Im letzten Sommer hat Vater ihn wohl einfach nicht mehr ausgekehrt. Ich lösche das mickrige Feuer, das nicht richtig brennen wollte, und hole Zeitungen und eine Bürste an einem langen Draht. Löse vorsichtig die mit Lehm befestigten Verschlusskacheln. Die kleinen Öfen in Küche und Schlafzimmern sind schnell gereinigt, aber der große Kachelofen macht viel Arbeit. Ich hole ganze Schaufeln voll Schlacke daraus hervor. Eine Heizung wäre schön. Kein Holzhacken, kein Kohlenschleppen, kein eiskaltes Badezimmer im Winter. Ruß und feiner Dreck haben sich in der Luft verteilt. Ich öffne alle Fenster und muss husten, fliehe durch die Hintertür nach draußen in den Garten.
    Ich gehe über die sanft abfallende Wiese, zwischen den alten Obstbäumen hindurch, hinunter zum Bach. Das Grün sprießt spärlich, die Erde ist quietschend feucht, unten am Bach morastig. Jeder Schritt erzeugt ein schmatzendes Geräusch. Ich springe auf
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