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Benjamins Gärten (German Edition)

Benjamins Gärten (German Edition)

Titel: Benjamins Gärten (German Edition)
Autoren: J. Walther
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vorne versenkt die Hitze uns fast, lässt mein Gesicht glühen, mein Rücken ist kalt. Tänzelnde Flammen und Funken steigen in den blassen Himmel. Unser Schweigen verunsichert mich. Will er lieber, dass ich gehe? Ich betrachte ihn aus den Augenwinkeln, er wirkt völlig entspannt. Neigt mir den Kopf mit einer vertrauten Geste zu. Ich räuspere mich, frage ihn, was er hier mache. Bin erstaunt, wie wacklig meine Stimme klingt.
    »Ich habe die Villa gekauft und werde sie renovieren. Sie ist schön, findest du nicht?«
    »Ja, ich mochte sie schon als Kind.«
    »Du bist von hier?« Die Überraschung in seiner Stimme schmeichelt mir.
    »Ja, ich bin hier geboren. Willst du dann hier wohnen?«
    »Nein, ich werde sie weiterverkaufen.«
    »Ungewöhnliche Geschäftsidee.«
    Er antwortet nicht, wirft alte Kisten und Gestrüpp ins Feuer. Setzt sich dann wieder, blickt mich nachdenklich an.
    »Eigentlich ist es mehr als eine Geschäftsidee.«
    »Was dann?« Ich schaue ihn gespannt an.
    »Als ich einundzwanzig war, starb meine Großmutter. Ich vermisste sie sehr, denn in meiner Kindheit hatte ich mich bei ihr immer besonders wohl gefühlt. Sie hatte mir ihr Häuschen vererbt und ich zog mich dorthin zurück. Es lag in einem Vorort, ein vernachlässigtes kleines Siedlungshaus. Drinnen roch es nach Alter und Krankheit, der Garten war ungepflegt, aber immer noch das kleine Paradies meiner Kindheit. Rabatten voller Sommerblumen, verwilderte Beerensträucher und ein baufälliger Schuppen, die Gemüsebeete von Kletten überwuchert. Als Kind war ich jeden Sommer dort. Ich saß den ganzen Tag da und versank in Erinnerungen. Schließlich konnte ich es nicht mehr ertragen. Ich begann, die Schränke auszuräumen, verkaufte das alte Porzellan und Kristall an Antiquitätenhändler, füllte zwei Sperrmüllcontainer.«
    Während er redet, kann ich nicht aufhören, ihn verstohlen zu betrachten. Die Kurve, die sein exakt geschnittenes blondes Haar über seinem Ohr beschreibt. Die helle Beuge seines Armes, als er den Ärmel hochschiebt. Seine schönen Hände. Er achtet nicht auf mich, schaut ins Feuer, ist mit seinen Gedanken beschäftigt.
    »Ich putzte den schwarz-weißen Steinfußboden in der Diele, entfernte die Bretterverschalung vom Windfang, entdeckte die Originallampen und alte Fotos auf dem Dachboden. Und langsam wurde es mir klar. Dieses Haus war mehr als ein gewöhnliches 20-er Jahre Siedlungshaus. Es hatte viele schöne Details. Es war ein kleines Juwel und ich begann, ihn zu polieren. Ich befasste mich mit alten Plänen, wälzte Architekturbücher, erkundigte mich bei Handwerkern und begann alles instand zu setzen. Ich entfernte eingezogene Wände und das Licht kehrte zurück. Ich ersetzte Glassteine in der Veranda, hängte die Bauhauslampen wieder auf und strich die Wände in den Originalfarben.«
    Er wendet den Blick vom Feuer, taucht ein Stück aus seiner Erinnerung auf. Er schaut mich kurz und prüfend an. Scheint einen Moment irritiert. Blickt wieder in die Flammen.
    »Dabei wusste ich gar nicht, was ich mit dem Haus anfangen sollte. Eigentlich wollte ich nicht dort leben, ich fühlte mich viel zu jung, um mich an einen Ort zu binden. Eines Tages kam ein Ehepaar vorbei. Sie blieben stehen, bewunderten das Haus. Wir unterhielten uns über den Zaun hinweg. Schließlich zeigte ich ihnen alles, sie waren begeistert und boten mir einen guten Preis, mehr als ich mir jemals vorgestellt hätte. Ich musste nicht lange überlegen. Ich hatte einen kleinen Bahnhof an einer stillgelegten Strecke entdeckt und hatte nun Kapital, von dem ich ihn kaufte und daraus ein Wohnhaus machte. Das ist jetzt sechs Jahre her und dies ist mein fünftes Haus.« Er stochert im Feuer, sieht schließlich auf und sucht meinen Blick.
    »Es ist keine Geschäftsidee. Es ist mein Leben«, sagt er schlicht. Dann schweigt er. Er schaut mich noch einmal prüfend an. Mein Gesicht glüht von mehr als von der Hitze des Feuers. Auf seinen Zügen spiegelt sich der rötliche Widerschein der Flammen. Er steht auf, wirft alles Holz, das noch herumliegt, ins Feuer und schürt es. Dann dreht er sich zu mir um, nickt in Richtung Villa. Ich stehe auf, folge ihm.
    Er führt mich ins Haus, geht die Treppe hinauf, sagt kein Wort.
    »Wie ist dein Name?«, frage ich seinen Rücken.
    »Marek.« Er öffnet eine Tür, wartet, bis ich das Zimmer betreten habe, folgt mir. Ein warmer Schimmer des Feuers dringt durchs Fenster, die Farbe blättert, Dreck liegt auf dem Boden, es ist kühl. Marek
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