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Benjamins Gärten (German Edition)

Benjamins Gärten (German Edition)

Titel: Benjamins Gärten (German Edition)
Autoren: J. Walther
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einen großen Stein in der Mitte des Wassers. Der Bach sprudelt wild um die Steine, spült die Böschung aus. Ich beuge mich hinunter und wasche den Ruß von meinen Händen. Als Kind liebte ich es, hier zu spielen. Mit Steinen und Pflanzen, mit dem launischen, sich immer wieder wandelnden Wasser. Geschützt vor Blicken, ungestört. Meine eigene kleine Welt.
    Jedes Jahr im März, wenn der Bach vom Schmelzwasser anschwoll so wie jetzt, stieg ich aus meinen Gummistiefeln, ließ sie am Ufer zurück und stellte mich auf den großen Stein. Ich krempelte meine Hosen hoch, streckte die große Zehe ins Wasser. Es war eisig kalt. Mit angehaltenem Atem ließ ich den Fuß ins Wasser gleiten, stieg auch mit dem zweiten hinein. Dann ging ich vorsichtig bis zur Mitte. Die Kälte begann zu kneifen. Doch mit zusammengebissenen Zähnen hielt ich immer länger aus. Es war meine Mutprobe, die Begrüßung des Frühlings. Sie härtete mich ab. Im Juni hielt ich es dann mühelos eine Stunde im immer noch frischen Wasser aus. Ich schichtete mit viel Hingabe Steine und Gestrüpp zu Dämmen auf, versuchte, den Bach zu stauen. Im Frühling war das besonders mühsam und mein Werk wurde oft von der Natur zerstört.
    Mein Vater baute mir in seinem Schuppen Wasserräder, die ich im Damm aufbaute. Kleine Holzboote, die ich schwimmen ließ, bis sie irgendwo an Zweigen hängen blieben. Er redete nie viel, aber er liebte es, in seinem Schuppen zu verschwinden und mit selbst gebauten Dingen herauszukommen. Dann freute er sich wie ein Kind. Gab mir Hinweise für den Damm, verbesserte meine Befestigung des Wasserrades. Juchzte, wenn sein neuestes Bootsmodell schneller war als das alte.
    Am Ufersaum hat sich ein verwittertes Holzstück verfangen. Ich hebe es auf, schnitze mit dem Taschenmesser daran herum, bis es spitz zuläuft, glätte das Holz. Dann lasse ich es schwimmen. Es hält sich gut, tanzt über die Strömungen und Wirbel. Dann gerät es nahe dem Ufer in eine tote Stelle, dreht sich um sich selbst. Schließlich kommt es doch wieder frei, wird mitgerissen, entschwindet schnell meinem Blick. Ich springe ans Ufer, gehe zurück.
    Der Staub im Raum hat sich gesetzt. Ich befestige die Verschlusskacheln wieder mit Lehm. Kehre die rotbraunen Dielen ab, bringe die Dreckeimer zum Müll. Dann heize ich an, die Flammen erobern das Papier, fressen sich knackend durch das trockene Holz. Das Feuer lodert auf, es qualmt nicht mehr, meine Arbeit hat sich gelohnt. Ich blicke in den rötlichen Lichtschein, der aus dem Ofen fällt. Der rötliche Lichtschein auf seinem Gesicht, erhitzt in der Nähe des Feuers. Sein glühendes, erregtes Gesicht unter mir in dem kühlen Zimmer.
    Es kommt mir so fern vor, fast unwirklich. Dabei ist es nicht einmal einen Tag her. Er ist in meine einsame, trostlose Welt eingebrochen wie die ersehnte Hoffnung auf Glück, und genauso schnell wieder verschwunden. Trotzdem bin ich glücklich.
    Ich bemerke, dass die Flammen das Holz fast aufgezehrt haben und lege eilig ein paar Scheite nach, dann Kohlen, und schließe die Klappe.
    Ich zünde mir eine Zigarette an, während ich auf das Knistern des Feuers höre. Der Nachmittag ist vorbei, die Zigarettenspitze leuchtet in der dunklen Ecke hinter dem Ofen. Ich überprüfe die Flammen, schichte noch Kohlen auf.
    Es dauert bis zum Abend, ehe das Zimmer warm wird. Es dauert, bis es so spät ist, das ich lieber schlafen will. Ich gehe in den Flur, mache kein Licht an, ich weiß genau, wo der Raum einen Knick macht. Ich gehe sicheren Schrittes auf die Treppe zu. Das Geländer glattpoliert von den vielen Händen, die es schon berührt haben. Ich fahre über das gedrechselte Ende der Brüstung, wie ich es immer tue, wenn ich die Treppe hinaufgehe, seit ich groß genug dafür bin. Ich öffne die Tür zu meinem Zimmer, mache auch hier kein Licht, finde mein Bett.
    Ich liege ganz ruhig. Es ist still im Haus. Ich fühle mich beschützt in ihm. Manchmal vergesse ich die Haustür abzuschließen. Ich überlege kurz, ob ich sie heute verschlossen habe. Zumindest bei der Hintertür bin ich mir nicht sicher. Aber ich stehe nicht auf, um nachzusehen. Ich habe keine Angst. Lausche auf die Stille. Irgendwann schlafe ich ein.
    Kühle Nachtluft weht zum Fenster herein. Ich drehe mich auf die andere Seite, wickle mich in die Decke. Doch der Schlaf will nicht zurückkommen. Ich wälze mich zurück, schiebe das Kissen zusammen. Ich versuche ruhig zu liegen, wegzugleiten, aber ohne Erfolg. Schließlich werfe ich die
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