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Beißen will gelernt sein (German Edition)

Beißen will gelernt sein (German Edition)

Titel: Beißen will gelernt sein (German Edition)
Autoren: Katie MacAlister
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nickte und schlenderte den unbeleuchteten Flur hinunter. Ich folgte ihm und hielt unauffällig Ausschau nach Zeichen dafür, dass er irgendetwas Schlimmes angestellt hatte, aber es war nichts zu finden. Die Türen standen halb offen, und soweit ich erkennen konnte, gab es nur Schlafzimmer in der oberen Etage, doch nirgends waren zerstückelte Katzen oder Hinweise auf sonstige Verbrechen zu sehen. Abby war anscheinend eine überaus reizbare Person, die nicht für die Betreuung von Kindern geeignet war.
    »Sie stinkt.«
    »Wie bitte?« Ich blieb in der Tür zu dem Zimmer stehen, das Damian gerade betreten hatte. Aus den herumliegenden Kleidungsstücken, dem laufenden – jedoch zum Glück lautlos geschalteten – Fernseher und den zahlreichen elektronischen Spielzeugen und Spielkonsolen schloss ich, dass es sich um sein Zimmer handelte. Es hatte zwei Fenster, die auf den Platz vor dem Haus hinausgingen, aber Damian hatte eins davon mit alten, schmutzigen Brettern vernagelt. Er hob eine Holzplatte hoch und ächzte dabei ein bisschen, dann sah er mich über die Schulter an. »Nell. Sie stinkt. Willst du da weiter dumm rumstehen oder mir helfen?«
    Dieses unverschämte kleine … Ich hielt inne, bevor ich das Wort auch nur denken konnte, und rief mir in Erinnerung, dass ich dem Lehrinstitut versichert hatte, ich könne sehr gut mit Kindern umgehen. »Magst du mir nicht erst mal erklären, warum du deine Fenster vernagelst?«
    »Weil … « Er nahm einen Nagel aus der Dose, die er auf dem Schreibtisch abgestellt hatte, und mühte sich damit ab, die Holzplatte an dem zweiten Fenster in die richtige Position zu bringen. »Sebastian kommt.«
    »Aha. Und er kommt immer durch die Fenster?« Ich entspannte mich. Warum hatte mir das Lehrinstitut nicht gesagt, dass mein neuer Schüler einer besonderen Betreuung bedurfte? Die Nanny war zweifellos nicht fähig oder bereit dazu gewesen, sich um ein Kind zu kümmern, das die Welt anders sah als andere, doch für mich war das nichts Neues.
    Damian bedachte mich erneut mit einem verächtlichen Blick. »Durch die Tür kann er nicht rein. Nell hat sie mit einem Bann geschützt. Die Fenster im Erdgeschoss auch, aber die hier oben nicht.«
    »Verstehe. Und wer ist Sebastian?«
    »Der Feind meines Vaters. Er hat versucht, Nell und Papa umzubringen. Und jetzt hat er es auf mich abgesehen.«
    »Auf dich?« Der arme Junge litt offensichtlich auch an Verfolgungswahn.
    »Ja.«
    »Woher weißt du das?«
    »Er hat es gesagt.« Damian trat zurück und begutachtete sein Werk. Dann nickte er, suchte sein Werkzeug zusammen und ging ins nächste Zimmer.
    Für einen Paranoiker machte er einen reichlich unbekümmerten Eindruck, fand ich, und ich fragte mich unwillkürlich, ob er sich die Geschichte nur ausgedacht hatte, weil er ein Aufmerksamkeitsbedürfnis hatte, aber das war in diesem Augenblick mein geringstes Problem.
    »Ist sonst noch jemand im Haus?«, fragte ich, als Damian anfing, ein weiteres Fenster zu vernageln. »Ein … eine Haushälterin? Eine Putzfrau? Irgendjemand?«
    »Nein, da war nur Abby, aber die ist ja jetzt weg. Und ich bin froh darüber. Sie hat mir nicht geglaubt, dass Sebastian kommt. Sie hat gesagt, ich hätte … « Er überlegte einen Moment. »Wahnvorstellungen oder so.«
    »Hmm. Also, das Problem ist folgendes: Ich bin Lehrerin, kein Kindermädchen. Ich muss wieder nach Hause. Auf mich warten noch andere Arbeiten und ich kann nicht hierbleiben und mich um dich kümmern.«
    »Ich komme allein klar«, sagte Damian ungerührt und nagelte das nächste Brett an das Fenster.
    »Das glaube ich dir, aber trotzdem wäre es wohl das Beste, wenn ich mit deinen Eltern sprechen würde.« Ich ging zum Bett, auf dem ein schnurloses Telefon lag, und setzte mich auf die Kante. »Hast du ihre Nummer?«
    »Meine Mutter macht gerade eine Kreuzfahrt und ist nicht zu erreichen. Man kann nur mit ihr sprechen, wenn sie sich mal von unterwegs meldet. Mein Vater und Nell sind in Heidelberg. Aber da gibt es kein Telefon, weil sie ein neues Haus bauen.«
    Es kostete mich einige Mühe, aber nach einer Viertelstunde hatte ich Damian so weit, dass er einen Zettel mit der Handynummer seines Vaters herausrückte. Zwei Minuten später sprach ich mit einer freundlichen Amerikanerin, die sich als Damians Stiefmutter entpuppte.
    »Es tut mir leid, aber ich kann einfach nicht bleiben«, sagte ich, nachdem ich ihr die Lage geschildert hatte. »Ich habe noch jede Menge andere Klienten, und obwohl Damian ein
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