Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beiss nicht in die Sonne

Beiss nicht in die Sonne

Titel: Beiss nicht in die Sonne
Autoren: Tanith Lee
Vom Netzwerk:
schlän­gel­te mich an ein großes, sich dre­hen­des Ta­blett mit Duft­wol­ken-Ohr­rin­gen, Räu­cher­par­füm und ähn­li­chen Din­gen her­an. Auf ih­ren selt­sa­men For­men flim­mer­te und glit­zer­te das Licht. Ich streck­te die Hand aus. Ein Schwe­be­spie­gel kam auf mich zu und zeig­te mir mein neu­es Ge­sicht. Ich wähl­te ein Paar mas­siv-phos­pho­res­zie­ren­der Ob­jek­te aus, ma­gne­ti­sier­te sie an mei­nen Oh­ren und be­trach­te­te sie, wie sie sich aus­ein­an­der­roll­ten und sich hübsch mei­nen Hals und über mei­ne Schul­tern hin­un­ter­schlän­gel­ten, um auf mei­nem Rücken lie­gen­zu­blei­ben.
    „Gnä­di­ge Frau sieht be­zau­bernd aus!“ san­gen En­gels­s­tim­men in dem ge­wölb­ten, durch­sich­ti­gen Dach.
    Ich wuß­te, daß ich zur falschen Zeit ge­kom­men war. Jang-Mäd­chen kom­men nor­ma­ler­wei­se am Vor­mit­tag her­ein, wenn der gan­ze Platz er­füllt ist von Über­ton­mu­sik, die man zwar nicht ei­gent­lich hö­ren kann, die einen aber in­ner­halb von Se­kun­den in Eu­pho­rie ver­setzt. Dann kann man prak­tisch je­dem al­les ver­kau­fen, wäh­rend rings um­her Ma­schi­nen säu­seln: „Ein­fach gros­hing !“ oder „ Oo­ma , wie de­ri­sann !“
    An­schlie­ßend fühl­te ich mich plötz­lich be­schwingt, glück­lich und un­ge­zwun­gen. Die äl­te­ren Da­men guck­ten ver­blüfft und klapp­ten ih­re trag­ba­ren Ohr­hö­rer zu­sam­men. Die Über­ton­mu­sik er­scholl jetzt in vol­ler Laut­stär­ke. Za­radann vor Freu­de, be­schimpf­te ich die Über­wa­chungs­ro­bo­ter des Ja­de-Turms. Ich nahm mei­ne Die­bes­beu­te ab, steck­te mei­ne Hand in einen Hau­fen Trö­del und ließ sie fal­len. Ich strich mir die Haa­re zu­rück und ma­gne­ti­sier­te aufs Ge­ra­te­wohl un­ge­fähr sechs Paar Ohr­rin­ge – ver­mut­lich al­le scheuß­lich – in dem Haar­dickicht in mei­nem Nacken. Aber es war ein Re­flex. Ich war zu ek­sta­tisch, als daß ich ir­gend­ei­ne Be­frie­di­gung ver­spürt hät­te, ehr­lich.
    Auf dem Weg hin­aus kam ich an die­ser Frau vor­bei. Sie war ge­ra­de mit Be­zah­len be­schäf­tigt, sich da­bei fast in einen Rausch hin­ein­stei­gernd, und ich stell­te fest, daß sie ih­re Ohr­hö­rer ak­ti­viert ge­las­sen hat­te, um von der Mu­sik un­ter­stützt zu wer­den. Sie muß­te ge­ra­de erst ihr Jang-Sta­di­um hin­ter sich ge­las­sen ha­ben.
    „Es ist so gros­hing !“ wein­te sie, wäh­rend die Ma­schi­ne, die nur auf Klei­dung und Haa­re an­sprach, sag­te:
    „Wirk­lich ganz ent­zückend, Ma­da­me.“ Und wäh­rend der gan­zen Zeit wur­de ihr En­thu­si­as­mus von ei­nem Kraft­über­tra­ger an Elek­tro­den wei­ter­ge­ge­ben, die Emo­tio­nen in Ener­gie ver­wan­deln und sie den Haupt­ener­gie­spei­chern von Vier BEE zu­füh­ren.
    Ir­gend­wie war es ziem­lich trau­rig. Ich be­zah­le nie für et­was, wenn ich es ver­mei­den kann. Mei­ne Schwär­me­rei ist im­mer so un­echt, daß ich al­le Hilfs­ro­bo­ter za­radann ma­che.
3

    Au­ßer­halb des Ja­de-Turms war­te­te Thinta auf mich und schau­te so un­ge­dul­dig drein, wie sie nur konn­te, al­so im­mer noch ge­dul­di­ger als ir­gend je­mand an­ders.
    Ich zog mei­ne Ohr­rin­ge her­aus und fand ein Paar und vier ein­zel­ne Rin­ge. Thinta igno­rier­te dies. Ich warf sie die Ter­ras­se des Ja­de-Turms hin­un­ter und be­ob­ach­te­te, wie Ener­gie­net­ze sie an ver­schie­de­nen Punk­ten auf­fin­gen. Mein Hirn häm­mer­te zwi­schen mei­nen ent­ma­gne­ti­sier­ten Oh­ren, von der ver­klin­gen­den akus­ti­schen Won­ne, die mei­nen Raub­zug rui­niert hat­te.
    „ Att­le­vey , Thinta“, er­in­ner­te ich mich zu sa­gen. Plötz­lich merk­te ich, daß ich lie­ber al­lein ge­we­sen wä­re, aber hier war Thinta nun ein­mal, und wir wa­ren da­bei, in ein Traum­zim­mer zu ge­hen.
    Nein, ehr­lich, ich moch­te die Traum­zim­mer. Ich ließ nie je­man­den wis­sen, wel­che Träu­me ich für mich pro­gram­mier­te. Her­gal träumt wahr­schein­lich im­mer vom Flie­gen. Ich glau­be, Hat­ta träumt da­von, ein drei­köp­fi­ges Mons­ter zu sein.
    „Was ist das?“ frag­te Thinta und starr­te auf mein wei­ßes, ge­stoh­le­nes Tier­chen, das stram­pel­te und sich im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher