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Beiss nicht in die Sonne

Beiss nicht in die Sonne

Titel: Beiss nicht in die Sonne
Autoren: Tanith Lee
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und von der Sonne, in die ich nicht beißen durfte, und schließlich erkannte ich die Bedeutung, die das Sprichwort für mich hatte. Ich war so müde, daß ich es jetzt eingestehen konnte. Ich hatte es so oft und so heftig versucht, aber es hatte keinen Sinn.
    Die Sonne. Oh ja. Die Sonne. Eine kleine, zerbrechliche Tonscherbe hatte mich besiegt, aus ihrem Nest in einer Wüste aus Regenbogen und ausbrechendem Feuer heraus. Ich wußte, was die Sonne war, vielleicht meinten diese Berichte dasselbe, ich bin nicht sicher. Die Sonne war der vorbestimmte Lebensweg. In meinem Fall war der vorbestimmte Lebensweg Hypnoschule, Jang-Dasein, Aufstieg zu einer Älteren Person, das ganze Leben unabänderlich vorgezeichnet, selbst der Tod unerlaubt, höchstens ein neuer Körper oder eine lange Ruhepause in geistverdunkelndem Dämmerlicht, wonach der Zyklus von vorn beginnt und alle Erinnerungen an früher ausgelöscht sind. So unabänderlich, so unvermeidlich, so schrecklich, so stumpfsinnig, so zur Tragödie verdammt, daß es schon zu lächerlich, zu stumpfsinnig und zu verdammt war, um überhaupt eine Tragödie zu sein. Versuche nicht in die Sonne zu beißen, du wirst dir den Mund verbrennen. Ich hatte unaufhörlich und hoffnungslos hineingebissen und war verbrannt, ich war verbrannt. Ich war nur noch verkohlte Asche.
     
    Ich wußte, was mit mir geschah und wiederholte laut: „Das Tierchen hat mich offiziell aus seinem Kreis ausgeschlossen.“ Anschließend wußte ich, daß ich jetzt weinen durfte, weil ich die Spielregeln eingehalten hatte.

 
TEIL FÜNF
     

 
1
     
    Fast ein zehntel Vrek lang lag ich in einer Art Stumpfsinn zu Hause herum. Ich muß nahezu die ganze Zeit geweint haben. Als ich allmählich wieder zu mir kam, bemerkte ich als erstes, wie wund meine Nase und meine Augen waren und wie entzündet meine Wangen an den Stellen, wo die Tränen unaufhörlich herabgerollt waren. Also nahm ich eine milde Gesichtspackung und Wattebäusche mit einer lindernden Lotion für die Augen und sah innerhalb von zwanzig Splits wenigstens wieder normal aus. Dann ertönte dieses Pochen an der Vordertür, ich schaltete das Bild an, und da stand dieser derisann Mann, mit langem, honigfarbenem Haar und Schnurrbart und einem schönen, bräunlichen, athletisch schlanken Körper.
    „Hergal?“ fragte ich.
    „Ich bin es, Liebes“, sagte diese wohlklingende Stimme, und das „Liebes“ sagte mir, daß es niemand anders als Hatta sein konnte.
    „H-Hatta?“
    „Ja, Liebes“, sagte der schöne, groshing Hatta. „Ich habe davon gehört. Es tut mir so leid. Kann ich hereinkommen?“
    Ich aktivierte die Tür und ging hinunter. Wir trafen uns in der goldschimmernden Halle, und er sah so derisann und traurig meinetwegen aus, daß ich ihm einfach um den Hals fiel und mir von neuem die Augen ausweinte. Er war so gut. Hatta ist immer so lieb, er kann gar nicht anders, als freundlich zu sein.
    Er führte mich zu einer Couch, schaltete den Wiegenrhythmus und die beruhigendste Übertonmusik ein, die er finden konnte, und dann nahm er mich in seine herrlichen Arme und schaukelte mich liebevoll.
    Als es mir wieder etwas besser ging, päppelte er mich auf. Ich saß nur da und sah ihn an, als er mir Feuer-und-Eis eintrichterte und mich mit kleinen Zuckertrauben fütterte.
    „Du bist wundervoll, Hatta“, sagte ich, und seine Hände zitterten. „Oh, Hatta“, bat ich, „laß uns heiraten. Jetzt gleich.“
    Aber ich mußte mich erst vierzig Splits lang hinlegen, ehe ich es überhaupt noch einmal sagen durfte. Dann fragte er ganz sanft:
    „Bist du sicher, Ooma ! Ganz sicher?“
    „O Hatta“, antwortete ich, „sei nicht dumm. Wie könnte ich denn etwas anderes wünschen?“
    Er schüttelte den Kopf, setzte sich aber hin und wartete geduldig, bis ich mir noch eine Gesichtsmaske gemacht hatte. Dann gingen wir hinaus zu seinem gemieteten Flugkörper und schossen fort zum Elfenbeindom. Wir versprachen, uns ausschließlich für den Nachmittag zu lieben, und danach zurückzukommen und noch einmal zu bezahlen, denn das ist Vorschrift, wenn man innerhalb der Annullierungsperiode bleibt.
    Dann gingen wir zu einer Unterwasserhöhle mit grünen Muscheln und liebten uns wundervoll. Ich glaube, wenn man schwach ist und sich gerade von irgend etwas erholt, ist man empfindsamer. Es war jedenfalls groshing.
    „Oh Hatta“, seufzte ich hinterher.
    Aber er wandte sich ab.
    „Hatta, was ist denn los?“ fragte ich. Ich stand auf und ging auf die andere Seite der
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