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Beifang

Titel: Beifang
Autoren: Ulrich Ritzel
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Adressenverzeichnis von Frau Morny, aber die darin enthaltenen Telefonnummern haben fast ausschließlich zu ihrem beruflichen Umfeld gehört - es waren Anschlüsse von Museen, Fremdenverkehrsämtern, Antiquitätenhändlern. Verzeichnet waren auch einige Anschlüsse von Studienkollegen.«
    »Fast ausschließlich, sagen Sie. Und der Rest?«
    »Frisiersalon. Autowerkstatt. Die Durchwahl zum Dienstanschluss ihres Mannes. Seine private Handy-Nummer. Der Installateur. Die Nummer ihrer Gynäkologin... Wir haben mit all diesen Personen gesprochen. Das Ergebnis war negativ.«
    »Negativ?«
    »Der Mann, mit dem sich Frau Morny getroffen hat, befand sich nicht darunter. Und niemand konnte uns sagen, um wen es sich gehandelt hat. Wiederholt hat man uns zu verstehen gegeben, Fiona Morny sei sehr verschlossen gewesen.«
    »Habe ich Sie richtig verstanden?« Eisholm beugte sich vor, die Augen auf Kuttler gerichtet. »Sie haben herausgefunden, dass das Sperma nicht von der Gynäkologin herrührt? Sehr beruhigend. Besaß Frau Morny ein Mobiltelefon?«
    »Ja. Auch hier haben wir die Anrufe zurückverfolgt.« Eine leichte Röte hatte sich über Kuttlers Gesicht gezogen. »Es war der gleiche Personenkreis, mit dem Frau Morny auch über das Festnetz telefoniert hat.«
    »Haben Sie das gehört, Hohes Gericht?«, fragte Eisholm, an Veesendonk gewandt. »Warum sitzen wir hier eigentlich? Und warum, Herr Vorsitzender, ist dieses Fragment einer Anklage überhaupt zu einer Hauptverhandlung zugelassen worden?« Plötzlich lächelte er. »Oder sollte das Gericht der bestimmten Ansicht sein, bei dieser jungen Frau sei es nicht weiter darauf
angekommen, wann sie mit wem zusammen war? Dann ist es …«
    Er kam nicht weiter, denn Kugelmann war hochgefahren, mit hochrotem Kopf und wehenden Talarärmeln. »Hohes Gericht! Diese Unterstellungen sind infam...«
    »Sie sind auch überflüssig«, ergänzte Staatsanwalt Desarts. »Hier interessiert doch einzig, was geschehen ist, nachdem die Ehefrau Morny nach Hause gekommen ist...«
    »Geschätzter Kollege«, sagte Eisholm und fixierte Kugelmann, »warum unterstützen Sie eigentlich nicht meine Forderung, den wirklichen Ablauf aufzuklären? Das wäre doch der beste Weg, allen Unterstellungen das Wasser abzugraben, auch und gerade den infamen.«
    »Sie!«, brachte Kugelmann heraus und wies zornig mit dem Zeigefinger auf Eisholm. »Sie...«
    »Einen Augenblick.« Veesendonk war zum ersten Mal laut geworden. »Ich unterbreche jetzt die Sitzung. Der Wortwechsel gerade eben hat gezeigt, dass die Nerven der Verfahrensbeteiligten nicht mehr die besten sind. Das beeinträchtigt auch die Aufnahmefähigkeit.« Er beugte sich vor und fasste Kuttler ins Auge. »Können Sie morgen Vormittag noch einmal kommen?« Kuttler nickte.
    »Na schön«, sagte Veesendonk. »Die Verhandlung wird morgen, neun Uhr, mit der weiteren Vernehmung des Zeugen Kuttler fortgesetzt.«
     
     
     
    Nachtschwarze Wälder. Dahinter, nur zu ahnen, die Donauauen. Fern im Norden eine Hügelkette, von Lichtern gesäumt. Im Großraumabteil die Passagiere, vom Licht der Leselampen gegen die Dunkelheit abgeschirmt, lesend? Nein: Die meisten waren über ihre Laptops gebeugt, arbeitend oder elektronische Patiencen legend. Das Fahrgeräusch: einschläfernd, ein gleichmäßiges Brausen.
    Der grauhaarige Mann hatte den Klarsichtordner wieder in seiner Reisetasche verstaut und starrte in die Dunkelheit hinaus.
Vor einem Dreivierteljahr war auch Hauptmann Ekkehard Morny durch die Nacht gefahren, zurück nach Hause, wo er seinen überraschend bewilligten Heimaturlaub nicht angekündigt hatte - warum eigentlich nicht?
    Er wird seine Gründe gehabt haben, dachte der Mann.
    Und dann? Es war nicht der gleiche Zug gewesen, sondern einer der letzten Züge an diesem Tag. Irgendwann nach 23 Uhr war der Hauptmann angekommen und ausgestiegen und hatte nicht zuhause angerufen und hatte kein Taxi genommen und auch den Bus nicht, sondern war in die grauenvolle, von Neonröhren beleuchtete Bahnhofsrestauration gegangen und hatte ein Pils bestellt und einen Kurzen und dann noch ein Pils und noch einen Kurzen, bis man ihn hinauswarf. Warum tut sich jemand das an?
    Weil er seine Gründe hatte, du Narr.
    Und weiter? Dann hat ihn ein Taxifahrer nach Hause gefahren, kurz nach Mitternacht, in das schmucke Wohngebiet für die rechtschaffenen, die besser situierten Leute, und Hauptmann Morny schlug stolpernd den Weg durch den Garten ein, zu seinem Haus, zu seinem dunklen,
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