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Bei Tag und Nacht

Titel: Bei Tag und Nacht
Autoren: Kat Martin
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ihrem Ziel näherten. Bei einem Blick hinunter auf die Sommervillen und Herrenhäuser, die die kleine Stadt mit ihren berühmten Heilbädern bildeten, machte er die blauen Dächer der großen Villa der Muraus, Blauenhaus, nicht weit entfernt am Rand der Stadt aus, obwohl nur noch ein paar Lampen die Räume erhellten.
    Er prüfte die Fenster im zweiten Stock, fand das Gemach der Vicomtess: drittes von rechts in einer langen Reihe von mehr als fünfzig - und bemerkte, daß dort die Lampe schon gelöscht worden war. Himmel, er war spät dran. Dennoch hatte er gehofft, sie würde ihn erwarten.
    Adrians Mundwinkel hoben sich erwartungsvoll. Wenn er es genau bedachte, würde es vielleicht noch interessanter sein, die Dame aus dem Schlaf zu wecken.
    Er wandte sich dem Mann zu, der neben ihm ritt, Major Jamison St. Giles, der seit ihrer gemeinsamen Internatszeit sein bester Freund war. »Tja, mein Lieber, ich fürchte, hier werden wir uns trennen müssen, zumindest bis morgen.«
    Der Major runzelte seine hohe Stirn. »Der Ausdruck auf deinem Gesicht gefällt mir irgendwie nicht, Adrian. Du hast doch wohl nicht vor, um diese nächtliche Stunde ... du wirst den gesamten Haushalt aufwecken.«
    Adrian lächelte nur. »Das ist doch kein offizieller Auftritt, Jamie! Genaugenommen habe ich eigentlich die Absicht, ganz im stillen vorzugehen.«
    »O Mann, ich hatte allerdings ganz vergessen, daß Cecily hier ist. Selbstverständlich hätte ich wissen können, was du im Schilde führst, angesichts deiner Eile...« Er seufzte. »Ich glaube nicht, daß das eine gute Idee ist. Warum kommst du nicht mit mir? Wir nehmen uns Zimmer in dem kleinen Gasthaus am Ort, schlafen uns gründlich aus und kommen morgen früh zu einer annehmbaren Zeit wieder.«
    Adrian schüttelte den Kopf. »Keine Chance, mein Freund. Ich denke schon die ganze Woche immer wieder an mein süßes
    Rendezvous hier. Und ich möchte es nicht versäumen, nur weil unser illustrer Kommandeur, General Ravenscroft, zufällig eine seiner lästigen Besprechungen einberufen hat.«
    Jamison erhob sich aus dem abgenutzten Sattel und stand sozusagen in den Steigbügeln, um nach dem langen, ermüdenden Ritt wieder richtig gerade zu werden. Er war nicht so groß wie Adrian, hatte schwarzes Haar und hellbraune Augen, eine schlanke, drahtige Figur - im Gegensatz zu Adrian, dessen breite Schultern massig und muskulös wirkten und in ihrer Stärke und klaren Form sehr deutlich machten, daß er schon Jahre bei der britischen Armee diente.
    Sie hatten auch ein höchst unterschiedliches Temperament. Jamison war meistens lässig und ruhig, während Adrian, ein hochdekorierter Kriegsheld und extrem fähiger Offizier, auch heißblütig und arrogant sein konnte, manchmal sogar fast rücksichtslos. Und genau dieser rücksichtslose Zug an ihm war es, den Jamison jetzt sah.
    »Muß ich Euch daran erinnern, Colonel Kingsland, daß Ihr in diplomatischer Mission hier seid? Es würde die österreichisch-britischen Beziehungen wohl kaum verbessern, wenn man dich, die Hosen um die Knöchel, bei nackten Wonnen anträfe.«
    Adrian lachte, und es klang ein wenig rauh. »Ich fürchte, das muß ich riskieren.«
    Jamison rückte müde zur Seite, und der Sattel knarrte unter ihm. »Selbstverständlich bist du mein Vorgesetzter, Colonel, aber trotzdem meine ich, du solltest...«
    »Ganz ruhig, Major. Ich komme noch vor dem Morgen zu dir ins Gasthaus. Und dann findet unsere dezente Ankunft ganz offiziell statt, genau wie du vorgeschlagen hast.«
    Noch bevor Jamison irgendwelche Einwände erheben konnte, ließ Adrian sein Pferd antraben und verschwand hügelabwärts. Auf der Rückseite der Villa hielt er an, schwang sich aus dem Sattel und band das Pferd an eine versteckte Birke. Dann sah er sich sorgfältig um, ob auch niemand in der Nähe wäre und machte sich auf den Weg durch die Ziergärten über die breite Ziegelterrasse bis zu einem Spalier von Kletterrosen, das hinaufreichte zum Balkon im zweiten Stock.
    Er prüfte die Stabilität seiner natürlichen Leiter, und als er sich überzeugt hatte, daß sie seine robuste Gestalt aushalten würde, überwand er die Höhe ohne Mühe und schwang einen gestiefelten Fuß über das schmiedeeiserne Geländer. Keine Lampe brannte. Aus dem Innern des Hauses drang kein Laut. Vor den französischen Fenstertüren, die in das Schlafzimmer der Vicomtess führten, blieb er stehen. Trotz der Dunkelheit konnte er in dem großen Himmelbett sofort ihr glänzendes blondes Haar und die
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