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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht
Autoren: Gunnar Staalesen
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draußen, als ich an die
Haustür kam. Ich nickte freundlich im Vorbeigehen, mit der
selbstverständlichen Miene eines Menschen, der dort etwas zu
tun hat.
Im zweiten Stock drückte ich auf die Türklingel.
     
Drinnen hörte ich ihre Stimme an der Sprechanlage: »Hallo?
    Ist jemand da?«
Ich klopfte ungeduldig an die Tür.
Sie öffnete im blauen Morgenmantel und mit einem weißen
Handtuch um den Kopf. »Axel, hast du keinen …«
    Ich stellte den Fuß in die Tür und drückte sie auf, bevor sie
sich mit einem überrumpelten Ausruf unterbrach: »Was um …!«
Sie preßte sich gegen mich in dem Versuch, mich draußen zu
halten. Ich schob sie in den Flur. Unsere Beine kamen durcheinander, sie fiel hintenüber und ich auf sie. Das Frotteehandtuch
löste sich von ihrem nassen Haar, und der Morgenmantel glitt
zur Seite. Darunter war sie nackt.
»Hiiilfe!« schrie sie laut.
Ich trat die Tür hinter uns zu, während sie wie eine Wildkatze
unter mir kämpfte.
»Vergewaltigung!« schrie sie. »Verge …«
Ich preßte eine Hand auf ihren Mund und versuchte, sie mit
der anderen festzuhalten. »Ich bin verdammt noch mal nicht
hier, um dich zu vergewaltigen!«
Sie schlug ihre Nägel in meine Wange und kratzte sie auf. Es
fühlte sich an, als schnitte sie mit einem Messer hinein.
Ich umfaßte ihre Handgelenke, preßte den Unterarm auf ihren
Mund und stöhnte: »Ich habe 1965 bekommen, was ich wollte!«
Sie drehte den Kopf zur Seite, als hätte ich einen schlechten
Atem. »Und danach nie wieder?«
Dann machte sie eine Brücke und versuchte sich loszureißen.
Sie war stark und schnell, und ich hatte ziemliche Probleme, sie
unten zu halten.
»Hör zu, Merete! Ich weiß alles! Ich weiß, wer du bist, ich
weiß, was ihr getan habt! Wenn du mir nicht zuhörst, dann hast
du jeden Moment die Polizei vor der Tür stehen. Das hast du
sowieso, aber du bist besser gerüstet, wenn du dir erst anhörst,
was ich zu sagen habe.«
Sie beruhigte sich einen Moment. Der Duft von Seife und
Shampoo war betäubend, ihre Brustwarzen waren steif, und sie
hatte große rote Flecken auf Hals und Brust.
Ich fühlte, wie das Blut mir die Wange hinunterlief. Es sammelte sich am Kinn und tropfte von dort aus auf ihre fast
durchsichtige Haut.
Sie zischte mich an: »Läßt du mich endlich los?«
»Wenn du dich ruhig verhältst!«
»Mit einem Vergewaltiger im Haus?«
»Tu nicht dümmer, als du bist! Ich habe gesagt, was ich will!«
Vorsichtig lockerte ich meinen Griff, verlagerte das Gewicht
meines Körpers von ihrem weg und stand auf.
Sie folgte meinem Beispiel.
Ohne Eile, wie um zu zeigen, was für ein Nichts ich in ihren
Augen war, zog sie ihren Morgenmantel zurecht und band ihn in
der Taille zu. Das Handtuch ließ sie liegen.
Ich folgte ihr auf den Fersen ins Wohnzimmer, wo sie nach
einer Zigarettenpackung und einem Feuerzeug griff, sich in
einen tiefen Sessel setzte, die Beine übereinanderschlug, sich die
Zigarette in den Mund steckte und sie anzündete, während sie
mich mit einem extra zynischen Blick bedachte.
Ich blieb direkt vor ihrem Stuhl stehen, bereit, ihr sofort den
Weg abzuschneiden, wenn sie versuchte abzuhauen.
Mit der linken Hand zog ich ein Taschentuch hervor und preßte es gegen die Wange, um das Blut zu stoppen. Sie betrachtete
mich zufrieden.
»Wir haben nicht viel Zeit«, sagte ich.
»Was du nicht sagst. Ich habe den ganzen Tag.«
Ich nahm Anlauf. »Ich weiß jetzt, wer du bist, Merete. Ich
habe es die ganze Zeit gewußt. Es ist möglich, daß du mich
vergessen hast. Ich habe bestimmt keinen großen Eindruck
hinterlassen.«
Sie nickte bestätigend, während sie nachdenklich den Zigarettenrauch tief in die Lungen sog. Aber sie konnte nicht
verbergen, daß die Hand, die die Zigarette hielt, zitterte.
Ich betrachtete das Taschentuch. Es war gestreift wie ein
schüchternes Zebra.
»Ich weiß, daß du den schwedischen Großindustriellen Fredrik
Loewe geheiratet hast, der 1988 bei einem Autounfall ums
Leben kam, und daß du im Jahr darauf seinen jüngeren Bruder,
Axel, geheiratet hast. Ich will nicht, wie man es in Schweden
getan hat, darüber spekulieren, was du vor dem Unfall für eine
Beziehung zu Axel Loewe hattest – oder über die Umstände
drum herum.«
Sie zog die Oberlippe hoch zu einer verächtlichen Grimasse,
aber die Unterlippe spielte nicht mit, sie zitterte unkontrolliert,
als unterdrückte sie die Tränen.
»Die Situation war jedenfalls peinlich genug, so daß deine
eigene Mutter dich
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