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Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)

Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)

Titel: Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)
Autoren: Manuela P. Forst
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Boden auf und hielt es ihr schweigend hin. Seine Hand zitterte merkbar.
    Sindra trat näher und nahm das Schriftstück an sich.
    Es war ein Brief. Hastig waren einige Zeilen darauf niedergeschrieben. Nicht selten war ein Satz wild durchgestrichen und von Neuem begonnen worden. Das Papier war an einigen Stellen tränenfeucht und die Tinte verlaufen. Es bereitete Sindra erhebliche Mühe, das Geschriebene zu entziffern, nicht zuletzt, da sie des Lesens nicht besonders kundig war.
     
    Geliebter Bruder!
     
    All die Jahre habe ich mich stets gefragt, wo meine Wurzeln liegen, welches Schicksal meiner Sippe und meinen leiblichen Eltern widerfahren sein mochte. Nun endlich erhielt ich einen Hinweis – ein schwaches Aufflackern einer Erinnerung.
    Ich kann die Gefühle nicht beschreiben, die mich zu diesem Schritt zwingen, doch spüre ich, dass in der Ungewissheit ein dunkles Geheimnis liegt, das letztendlich der Schlüssel zu meinem Leben ist.
    Ich will nicht undankbar erscheinen, denn ich weiß zu schätzen, was Meister Makantheo und Du für mich getan haben, und ich liebe Euch wie eine Familie! Bitte sag dies auch unserem Vater und danke ihm in meinem Namen für die Liebe, die er mir geschenkt hat.
    Doch nun muss ich Euch verlassen. Wenn Du diese Zeilen liest, bin ich bereits weit fort. Bitte versuche nicht, mir zu folgen oder mich aufzuhalten. Diesen Weg muss ich alleine gehen!
    Nun leb wohl, mein Bruder! Lebt wohl, Drachenreiter!
    Ich wahre eure Erinnerung in meinem Herzen!
     
    In ewiger Liebe
    Linara
     
    »Sie ist weg?«, flüsterte Sindra ungläubig.
    Atharis nickte matt und erneut begannen Tränen über seine Wangen zu laufen.
    »Oh Atharis! Es tut mir so leid! Das ist ja furchtbar!« Sie fiel auf die Knie und schlang ihre Arme um ihn, so weit sie es vermochte.
    »Bitte«, brachte er schluchzend hervor, »sag den anderen Bescheid und schicke sie für heute nach Hause. Ich kann es nicht. Ich möchte alleine sein.«
    Sindra nickte, strich ihm im Aufstehen liebkosend durch die Haare und ging zur Treppe.
    »Sindra!«, rief Atharis in ihrem Rücken. »Kein Drachenreiter soll sich zu unüberlegten Handlungen hinreißen lassen. Das ist ein Befehl!«
     

     
    Linara lief das Tal entlang auf das Gebirge zu. Sie wollte so viel Abstand wie nur möglich zwischen sich und die Drachenfarm bringen, bevor ihr Bruder an diesem Abend heimkehren und ihr Verschwinden bemerken würde.
    Ein Bach sprang hier über die Steine hinab in die Ebene, wo er gemächlich in weiten Schleifen auf das Meer zufloss. Ihm entlang hatte einst ein Pfad geführt. Heute war er von hohen Disteln und Sträuchern überwuchert. Trotzdem wusste Linara, dass er da gewesen war. Sie war ihn so oft entlanggelaufen, den Weg nach Hause.
    Ihr Herz schien gleichzeitig vor Wehmut zu schmerzen und vor Freude zu zerspringen. Die Bäume waren vertraut. Das Wasser sang eine bekannte Melodie. Linara lief schneller. In diesem Tal lagen die Antworten, die sie so lange gesucht hatte. Vielleicht fand sie Elfen – jemand, der ihre Geschichte kannte. Vielleicht fand sie ihre Familie!
    Dann kam Linara nach Hause. Wie vom Blitz getroffen blieb sie stehen.
    Sie hatte die hohen alten Eichen hinter sich gelassen und trat hinaus auf etwas, das einmal eine Lichtung gewesen sein musste. Junge Baumschösslinge kämpften sich zwischen Haselstauden empor, umschlungen von Brombeersträuchern, die sie zu ersticken drohten. Die dornenbewehrten Ranken wanden sich jedoch nicht nur um das junge Geäst. Sie krochen über Stümpfe vermoderten Holzes. Hier und da schimmerte rostrot eine Tonscherbe durch die dicke Moosschicht – ein grüner Teppich, welcher das vor anderthalb Dekaden hier angerichtete Chaos zu verdecken versuchte.
    Nach fast fünfzehn Jahren stand Linara wieder am Rand der zerstörten Elfensiedlung.
    Als wäre keine Stunde seit damals verstrichen, flammten in ihrem Geist die Bilder jener verhängnisvollen Nacht auf, vermischt mit den Erinnerungen an sonnenbeschienene Tage einer lang vergessenen Kindheit. Sie sah die Flammen, wie sie Häuser verschlangen, und das Aufblitzen blutgetränkter Klingen. Sie blickte wieder in die Augen der Erschlagenen und hörte den schmerzerfüllten Schreckensschrei einer vertrauten Stimme in ihrem Kopf.
    »Vater«, flüsterte sie. Tränen rannen ihr über die Wangen.
    Unweit hinter ihr kreischte ein Vogel – ein vertrauter Laut aus dem Hier und Jetzt, der sie in die Gegenwart zurück riss.
    »Es war überflüssig, mir zu folgen«, erklärte Linara
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