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Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Titel: Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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aushändigte, und hoffte, bei dieser Summe ändere er seine Meinung.
    Ohne mit der Wimper zu zucken, nickte er und zog einen Hundert-Peseten-Schein aus der Tasche seines Anzugs, der bestimmt keine fünfundzwanzig gekostet hatte. Ich fragte mich, ob es nicht Falschgeld war.
    »Ich fürchte, für einen so großen Schein habe ich kein Wechselgeld, mein Herr.«
    Normalerweise hätte ich ihn gebeten, einen Moment zu warten, und wäre zur nächsten Bank gegangen, um den Schein zu wechseln und zugleich auf seine Echtheit prüfen zu lassen, aber ich mochte ihn nicht allein im Laden lassen.
    »Keine Sorge. Er ist echt. Wissen Sie, wie Sie das feststellen können?«
    Er hielt die Note gegen das Licht.
    »Beachten Sie das Wasserzeichen. Und diese Linien. Die Textur …«
    »Ist der Herr ein Experte in Fälschungen?«
    »Alles auf dieser Welt ist falsch, junger Mann. Alles außer dem Geld.« Er gab mir den Schein in die Hand, schloss meine Faust darum und tätschelte mir die Knöchel. »Das Wechselgeld lasse ich Ihnen als Anzahlung da für meinen nächsten Besuch.«
    »Das ist viel Geld, der Herr. Fünfundsechzig Peseten …«
    »Ein paar Münzen.«
    »Ich stelle Ihnen auf jeden Fall eine Quittung aus.«
    »Ich vertraue Ihnen.«
    Der Unbekannte betrachtete das Buch gleichgültig.
    »Es ist ein Geschenk. Ich bitte Sie, es persönlich zu überbringen.«
    Ich zögerte einen Augenblick.
    »Im Prinzip machen wir keine Hauslieferungen, aber in diesem Fall übergeben wir es natürlich sehr gern persönlich und ohne zusätzliche Kosten. Darf ich fragen, ob es in Barcelona selbst ist oder …?«
    »Hier.« Sein eisiger Blick verriet Jahre von Wut und Hass.
    »Möchte der Herr eine Widmung oder sonst ein paar persönliche Worte hineinschreiben, bevor ich es einpacke?«
    Umständlich schlug der Besucher das Buch auf der ersten Seite auf. Da sah ich, dass seine linke Hand eine Prothese aus gefärbtem Porzellan war. Er zog einen Füllfederhalter hervor und schrieb ein paar Worte auf die Seite. Dann gab er mir den Band zurück und drehte sich um. Während er zur Tür humpelte, beobachtete ich ihn.
    »Wären Sie so freundlich und würden Sie mir Namen und Adresse angeben, wo wir das Buch hinbringen sollen?«, fragte ich.
    »Es steht alles da«, sagte er, ohne zurückzuschauen.
    Ich schlug das Buch auf der Seite mit dem handschriftlichen Eintrag auf:
Für Fermín Romero de Torres, der von den Toten auferstanden ist und den Schlüssel zur Zukunft hat.
13
    Da hörte ich die Türglocke, und als ich aufschaute, war der Besucher weg.
    Ich eilte zum Ausgang und schaute auf die Straße hinaus. Der Besucher humpelte davon und verschmolz mit den Gestalten, die den bläulichen Nebelschleier in der Calle Santa Ana durchdrangen. Ich wollte ihm etwas nachrufen, biss mir aber auf die Zunge. Ich hätte ihn einfach gehen lassen können, aber der Instinkt und mein üblicher Mangel an Vorsicht und Sinn fürs Praktische waren stärker.

4

    Ich hängte das »Geschlossen«-Schild an die Tür, drehte den Schlüssel um und machte mich auf, den Unbekannten in der Menge zu verfolgen. Ohne jeden Zweifel bekäme ich von meinem Vater, wenn er zurückkehrte und entdeckte, dass ich, kaum hatte er mich allein gelassen, trotz der Verkaufsflaute die Stellung aufgegeben hatte, einen scharfen Verweis, aber unterwegs würde mir sicher irgendeine Ausrede einfallen. Sein schnell verfliegender Zorn war mir lieber, als die durch diese unheimliche Figur in mir hervorgerufene Beunruhigung herunterzuschlucken und darüber im Ungewissen zu bleiben, was ihn mit Fermín verband.
    Ein Berufsbuchhändler kann nicht oft vor Ort die hohe Kunst erlernen, einen Verdächtigen zu beschatten, ohne entdeckt zu werden. Abgesehen davon, dass ein großer Teil seiner Kundschaft der Zunft der säumigen Zahler angehört, beschränkte sich sein Kontakt zur Welt der Delinquenz auf die Lektüre von Detektivgeschichten und Groschenromanen in den eigenen Regalen. Kleider machen keine Leute, Verbrechen aber – oder ein Verdacht – machen Detektive, vor allem Amateurdetektive.
    Während ich dem Fremden in Richtung Ramblas folgte, frischte ich in meinem Kopf die Grundregeln auf, indem ich zuerst einmal gut zwanzig Meter Abstand zwischen uns einhielt, mich hinter einem korpulenteren Artgenossen tarnte und immer ein rasches Versteck in einem Hauseingang oder Laden im Visier hatte, falls der Gegenstand meiner Verfolgung unversehens stehen blieb und sich umwandte. Bei den Ramblas angekommen, überquerte der
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