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Bangkok Tattoo

Bangkok Tattoo

Titel: Bangkok Tattoo
Autoren: John Burdett
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nach bestem Wissen und Gewissen im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte in Gegenwart von Colonel Vikorn und Detective Jitpleecheep vom Royal Thai Police District 8. Ich unterzeichne mit meinem rechten Daumenabdruck.‹«
    Ich klappe das Stempelkissen auf und rolle ihren Daumen zuerst über die Tinte und dann aufs untere Ende des Papiers. Vikorn hat als echter Profi nur eine Seite für das Protokoll benötigt.
    »Hab ich irgendwas vergessen?«
    »Nein«, antworte ich voller Bewunderung. Die Aussage ist eine meisterhafte, knapp gehaltene Collage aus mehreren kunstvoll miteinander verwobenen Standardformulierungen, mit der er – erstaunlich für einen Cop, der so wenig Aufhebens um seine juristischen Kenntnisse macht – eine solide Verteidigungsgrundlage für den Fall einer Anklage wegen Mordes oder Totschlags geschaffen hat: Chanya wendete nur die Kraft auf, die nötig war, um ihr eigenes Leben zu retten, und versetzte ihm nicht den tödlichen Stich; als sie sah, wie schwer verletzt er war, versuchte sie erfolglos, ihn zu retten; und sie drückte Trauer und Achtung aus, indem sie sein abgetrenntes Glied an eine würdige Stelle legte. Der Haß des toten farang gegenüber dem anderen Geschlecht, der schlechten Erfahrungen mit Frauen aus seinem eigenen Land entsprang, liefert das Motiv für seine Aggression und seine sexuellen Vorlieben.
    »Ich glaube, Sie haben an alles gedacht.«
    »Gut. Gib ihr eine Kopie, sobald sie aufwacht, und sorg dafür, daß sie den Text auswendig lernt. Wenn sie irgendwas dran ändern will, sagst du ihr, das geht nicht.«
    »Wollen Sie den Tatort sehen?«
    »Eigentlich nicht. Letztlich war’s ja kein Verbrechen, also solltest du auch nicht vom ›Tatort‹ sprechen. Notwehr ist nichts Ungesetzliches, besonders bei einer Frau Samstagnacht in Krung Thep.«
    »Trotzdem sollten Sie sich das Zimmer ansehen«, beharre ich. Mit einem verärgerten Brummen steht er auf und wendet sich in Richtung Tür.

2
    Der Rezeptionist – dank der fünftausend Baht, die ich ihm eine Stunde zuvor gegeben habe, bereits ausgesprochen servil – beginnt zu stottern, als er Vikorn sieht, den Herrscher über diese sois. Der Colonel schaltet seinen Zehntausend-Volt-Charme ein und deutet an, was für eine lukrative Zukunft jene erwartet, die es in Zeiten wie diesen verstehen, den Mund zu halten. Ich nehme den Schlüssel noch einmal entgegen, und wir machen uns auf den Weg nach oben.
    In dem Zimmer hat sich der Gestank, der aufgeschlitzten Bäuchen unweigerlich entströmt, seit meinem ersten Besuch verstärkt. Ich schalte die Klimaanlage ein, die ihn jedoch nur kühlt, ohne ihn zu mindern. Vikorns Zorn darüber, daß ich ihn hierhergeschleppt habe, wächst.
    »Schauen Sie«, sage ich und hole den Ausweis des toten farang aus der Schublade, in der ich ihn eine Stunde zuvor gefunden habe. Ich halte mich nicht für einen Fachmann in puncto Einwanderungsbestimmungen, aber die Form seines Visums irritiert mich. Der Paß ist auf einen gewissen Mitch Turner ausgestellt.
    Auch der Colonel wirkt irritiert; er wird blaß, als er einen Blick darauf wirft. »Warum sagst du mir das erst jetzt?«
    »Weil ich nicht wußte, ob das wichtig ist oder nicht. Ich habe immer noch keine Ahnung, worum es sich handelt.«
    »Das ist ein Visum.«
    »Das sehe ich auch.«
    »Gültig zwei Jahre, für mehrfache Ein- und Ausreise.«
    »Und?«
    »Zwei-Jahres-Visa werden für gewöhnlich nicht ausgestellt. Schon gar nicht mit der Erlaubnis zur mehrfachen Ein- und Ausreise. Nur in ganz bestimmten Fällen.«
    »Genau das habe ich mir gedacht.«
    Der Anblick des Visums hat unser Gefühl intensiviert, Zeugen einer Tragödie über den Verlust eines relativ jungen Lebens fern der Heimat geworden zu sein. »CIA oder FBI?«
    »CIA. Von denen haben wir nach dem elften September ungefähr zweihundert ins Land gelassen, damit sie ein Auge auf die Moslems im Süden, an der Grenze zu Malaysia, haben. Aber letztlich sind sie nur lästig, weil sie kein Thai können und für alles einen Dolmetscher brauchen.«
    Er betrachtet die Leiche. »Stell dir mal ein solches farang- Muskelpaket und seinen Dolmetscher an einem Freitagabend unten in Hat Yai bei den kleinen braunen Thais vor. Scheiße. Al-Qaida kann’s nicht zufällig gewesen sein?«
    »Aber wir haben doch schon die Aussage der Tatverdächtigen.«
    »Die könnten wir sicher überzeugen, sie zurückzuziehen. Hast du heute abend irgendwo schwarze Bärte gesehen?«
    Meint er das ernst? Manchmal übersteigen die
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