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Bangkok Tattoo

Bangkok Tattoo

Titel: Bangkok Tattoo
Autoren: John Burdett
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dumm und dämlich zu bumsen. Fotos von Elvis, Sinatra, The Mamas and The Papas, den frühen Beatles und den Stones zieren unsere Wände, und unsere Musik scheint aus einem Jukebox-Imitat (Chrom und Mitternachtsblau, unzählige glitzernde Sterne) zu kommen. Natürlich stammt sie in Wahrheit von einem hochmodernen Sony-System.
    Meine Mutter erkannte Viagra als Lösung des logistischen Problems, mit dem das Gewerbe seit seinen Anfängen kämpft: den Zeitpunkt der männlichen Erektion genau vorherzusagen. Gemäß ihrem Plan würde ein Rentner die Mädchen in Augenschein nehmen, sich eins aussuchen und es dann von seinem Hotel aus telefonisch buchen, sobald er die Pille geschluckt hätte. Das Mittel braucht ziemlich genau eine Stunde, um seine volle Wirkung zu entfalten, womit das oben erwähnte Problem gelöst ist und der Arbeitsplan der Frauen sich mittels eines Computers fast minutengenau erstellen läßt. (In unserer ersten Euphorie spielten wir sogar mit dem Gedanken, eine entsprechende Software installieren zu lassen, verwarfen ihn dann am Ende aber doch.) Und wissen Sie was? Das Ganze funktionierte wunderbar, bis auf eine winzige Kleinigkeit, die niemand vorhersehen konnte, nicht einmal Nong.
    Wir hatten nicht bedacht, daß diese Sechziger, Siebziger, Achtziger und sogar Neunziger nicht der gelassenen, genügsamen und hinfälligen Sorte angehören, die wir aus unserem eigenen, sich noch entwickelnden Land kennen. Nein, wir hatten es mit früheren Rockern, Swingern und Junkies zu tun, mit Hippieveteranen aus Katmandu, San Francisco, als dort noch schöne Menschen lebten, Marrakesch, Goa, bevor es vom Massentourismus entdeckt wurde, Phuket, als es da nur ein paar Hütten zum Schlafen gab, kurz: aus der noch jungen Welt, in der LSD, Magic Mushrooms und Marihuana auf Bäumen wuchsen. Die klapperdürren Zeitgenossen von Burroughs und Kerouac, Ginsberg, Kesey und Jagger (von Keith Richards ganz zu schweigen), hatten sich, auch wenn sie vielleicht ein bißchen tatterig wirkten, geschworen, nie zu wenig zu nehmen. Eigentlich wird zur Steigerung der sexuellen Leistung eine halbe Viagra empfohlen, aber wen interessiert das? Manche warfen trotz der Warnungen auf dem Fläschchen drei oder sogar vier ein. Nur etwa ein halbes Dutzend der alten Herren erlitt einen Herzinfarkt; lediglich drei gingen tatsächlich über den Jordan. (Es kam zu einer Krise, als Vikorns Bentley trotz der wüsten Flüche seines gereizten Chauffeurs, der buddhistisch betrachtet keinen Sinn darin sah, das Leben geriatrischer farangs zu retten, als Ambulanz zweckentfremdet werden mußte.) Und die anderen erklärten, sie seien im Himmel gewesen, ohne zuerst sterben zu müssen.
    Was soll daran schlecht sein? Nun, das verrate ich Ihnen. Meine Herren, wenn Sie eine ganze Tablette Viagra (oder mehr) schlucken, verabschiedet sich Ihre sonstige Schlaffheit für mindestens acht Stunden. (Das Urinieren können Sie einen Tag lang vergessen; es stellt sich eher die Frage, wie man mit diesem Prügel zwischen den Beinen die einfachsten Aufgaben bewältigen soll. Viele berichten sogar von einer gewissen Sehnsucht nach Zeiten ohne Schwellkörperaktivität. Ironie des Schicksals: Man kann nichts anderes tun als bumsen, ob man will oder nicht.)
    Die Herren erschöpften die Mädchen, die unser Etablissement in Scharen verließen. Meine Mutter hatte volle Befriedigung versprochen und wollte die Kunden nicht enttäuschen, was uns zwang, ein Schichtsystem einzuführen. Ein geiler alter Bock erledigte fünf oder sechs gesunde junge Frauen, bevor die Wirkung des Mittels nachließ und er in einem Zustand in sein Hotel zurückbefördert wurde, der sich am besten als ekstatische Katatonie oder verzückte Totenstarre beschreiben läßt. Sie können sich vorstellen, daß die Gewinnmargen hauchdünn wurden.
    Also mußten wir etwas unternehmen. In einer Krisensitzung einigten wir uns darauf, den Passus »Befriedigung garantiert« aus der Werbung zu streichen und uns an ein breiteres Publikum zu wenden. Besonders lieb wurden uns überarbeitete junge Männer mit streßbedingter Impotenz. Wir blieben weiterhin Ziel der Wahl für den betuchten geriatrischen Raver aus dem Westen und erschlossen uns gleichzeitig eine konventionellere Kundschaft (meist nicht betuchte geriatrische Raver aus dem Westen), aber unsere Marktnische hatten wir verloren. Nun unterschieden wir uns kaum noch von all den anderen Bars und unterlagen wie sie den saisonalen Schwankungen und der Rezession im Westen.
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