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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition)
Autoren: Esther Kinsky
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Taubenballungen hin und her, von meinem Fenster aus sah ich die Züge, nach Einbruch der Dunkelheit waren sie Lichterketten, die über den Himmel segelten.
    Wenn ich durch die Stadt ging, hielt ich beim Durchqueren von Unterführungen die Luft an, während mein Körper den Vorhang aus Taubenfedern und zu Staub zerfahrenem und zerschrittenem Taubendreck durchteilte.
    In Budapest lebten die Tauben auf den Gesimsen und Dachvorsprüngen, fern aller Möwen erschien ihr Leben beschaulich. Im gezeitensicheren Binnenland allerdings verdunkeln Krähenschwärme den stadtwärtigen Schneehimmel.

BATTONYA
    Auf dem Feld neben meinem Garten wuchs der Mais in die Höhe. Das Feld gehörte einem kleinen Mann und seiner Schwester, beide hatten einen Buckel. Der des Mannes war groß, der der Frau klein, und wenn sie saß, war ihr Gesicht streng vor Bemühen, gerade zu sitzen wie in einer Schul-bank. Sie war alt, doch ihre Schürzen hatten an den Schultern Rüschen wie die Schürzen von Schulkindern.
    Morgens kamen die buckligen Geschwister und strichen durch das Feld. An den hohen Stängeln raschelten die Blätter. Der Mann und die Frau sprachen nie miteinander, höchstens flüsterten sie sich etwas zu, und das Flüstern ging im Rascheln auf. Alle paar Wochen mähte der Bucklige im Morgengrauen das Gras vor seinem Feld mit der Sense. Er schliff die Klinge mit dem Wetzstein und fuhr mit der Sense durch das Gras. Es war ein eintöniges Gespräch, das im Angesicht einer Unabänderlichkeit geführt wurde. Der scharfe Ton des Steins auf dem Metall, das Sirren der Klinge durch das Gras. Ohne Unterbrechung, bis das Stück gemäht war und das dunkle Sommergras in gleichmäßigen langen Wülsten auf dem Boden lag. Die Schwester des Buckligen stand dabei. Sie hatte die Hände in die Schürzentaschen gesteckt und schwieg. Wenn das Gras gemäht war, gingen sie zusammen in ihr Haus. Es war noch früh am Tag.
    Mittwochs war kleiner Markt in Battonya und samstags großer Markt. Händler kamen in alten Autos über die Grenze, aus Rumänien. In der Puschkinstraße breiteten sie ihre Waren aus. Die Grenzer lungerten an den Ecken. Frauen in breiten weiten Röcken gingen auf und ab, Zigi, Zigi, murmelten sie den Käufern entgegen, unter den weiten Röcken hatten sie die Zigaretten versteckt. Ein alter Mann kam mit seiner Frau, die Wurzelgemüse und Eier auf einem Stück Zeitungspapier bot. Der Mann trug eine braune Kappe und eine alte Tweedjacke. Zigi, Zigi, flüsterte er scheu im Schatten seiner Gemüsefrau. Gelegentlich stießen die Grenzer zwischen die Käufer und Händler und verlangten Papiere.
    Auf den Wachstuchdecken und Zeitungspapieren am Boden lagen Werkzeuge, Streichhölzer, Süßigkeiten, Unterhosen, Sägeblätter, Bohraufsätze. Eine Zigeunerfamilie kam samstags und bot große Teppiche an, auf denen sich blassfarbene Blumen und Tiere ineinander verschlangen. Die Familie stand hinter ihrem Teppichaufbau verborgen und palaverte.
    Ich ging über den Markt, streifte an Körbe und stolperte in Auslagen. Jedermann sah, dass ich fremd war. Die buckligen Geschwister standen auf dem Gemüsemarkt am Fluss und verkauften Gemüse und Eier. Die Schwester stand hinter dem Bruder und drückte die Hände in die Schürzentaschen. Um ihre langen grauen Haare hatte sie ein geblümtes Tuch gebunden. Der Bruder stützte sich mit beiden Händen auf die Betonplatte mit den Waren und stieß den Kopf weit vor, als wollte er die Waren unter seinem Körper schützen oder die Käufer durch bloßes Hinausstarren über seinem Feilgebotenen zum Kaufen bewegen.
    In der Luft schwirrten die rumänischen Worte und rieben sich an den ungarischen.
    Abends spazierte ich zum Bahnhof. Hinter den gestutzten Weidenbäumen am Rand der Gleise ging die Sonne unter und tauchte die Bahnhofsveranda, die Grenzer mit ihren Fahrrädern und das Riedgras jenseits der Bahngleise in ein rötliches Licht, das sich bis in den Warteraum ergoss, alles glänzte: der Fahrplan, das Schalterfenster, die Klinke der Glastür zum Zimmer des Bahnhofsvorstehers, die dünnen Flügel der Fliegen.
    Ich sah den Bahnhofsvorsteher auf der Couch hinter der Glastür liegen. Ein dicklicher Mann in dunkler Hose und Unterhemd. Fliegen zitterten schwarz auf seiner Haut und schwirrten davon, als er sich reckte. Wenn ein Zug ankam, stieg er auf sein Fahrrad und radelte zum Bahnübergang, kurbelte die Schranke herunter und wieder hinauf, wenn der Zug den Übergang passiert hatte. Den Zeitpunkt der Überfahrt trug er in ein
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