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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition)
Autoren: Esther Kinsky
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anders gearteten Unebenheit .
    Wenn ich mich in der Dämmerung ans Fenster lehnte, sah ich ein Stück grauen Abendhimmel. Vielleicht stand irgendwo der Mond. Tauben hockten auf den Gesimsen der Häuser, und die Steinfiguren der Fassaden sahen sanft und müde aus, mit geschlossenen Augen trugen sie die schartigen Fensterbänke und die vom Lärm zermürbten Scheingiebel.

BATTONYA
    Ich blieb in Battonya und zog in ein altes gelbes Haus. Es roch nach Holz und Wein und Asche. Morgens kam mein Nachbar und klopfte ans Fenster. Mein Nachbar war ein alter Serbe namens Todor. Er trug eine Kappe zum Schutz gegen die Sonne. An der rechten Hand fehlten ihm drei Finger. Er sprach langsam, seine Augen schweiften dabei immer in die Ferne. Jeden Morgen hatte er einen anderen Ratschlag. Wenn ich etwas sagte, schaute Todor einfach durch mich und meine Worte hindurch und schwieg.
    In meinem Haus hatte Todors Tante gelebt. An den Wänden hingen Fotografien schöner Frauen und stattlicher Männer, deren Gesichter sich aus dem weichen Dunst der alten Bilder neigten. In einem Raum standen Holzwannen, in denen beim Schweinschlachten das Blut aufgefangen wurde, und in einem anderen Raum Aluminiumbecken, in denen man die Trauben für den Wein gestampft hatte. Die Tante hatte ein geblümtes Sofa hinterlassen und einen kleinen runden Tisch.
    Die Fenster waren mit grobem Tuch verhängt, dahinter hatten sich über die Jahre Fliegenleichen angesammelt. Das grobe Tuch war morsch geworden und riss, wenn man es berührte.
    Unsere Seite der Straße war ganz serbisch, sagte Todor immer wieder. Seine Stimme klang dann stolz. Er zeigte auf den Garten hinter meinem Haus.
    Das war ein Weinfeld. Wir hatten viel Arbeit damit. Der Wein braucht den Menschen, sonst wird es kein Wein.
    Beim Umgraben im Garten fand ich bunte Keramikscherben. Auf dem Speicher roch es süß nach Holz, das sich mit staubiger Hitze vollgesogen hatte. Zwischen den Balken lagen Geräte, für die sich kaum ein Zweck ausdenken ließ: Metallscharniere, Holzstangen mit kleinen Radscheiben an den Enden, Eisenkanister, Stangen mit Kurbeln, schartig und gefurcht von Handhabungen, die fremden Händen in jede Faser gewachsen waren. Im Schlaf, hatte mein Großvater gesagt, wenn er von Arbeiten sprach, die weit hinter ihm lagen, das hab ich im Schlaf gekonnt.
    Nachts schien der Mond in mein Fenster, ich fand keinen Schlaf.
    Ich ging zu einer Näherin und brachte ihr Stoff für Vorhänge. Die Näherin hieß Rozalia, sie lebte in einem kleinen Haus am Rande des Ortes. Im Fenster lag eine Flasche mit einem Segelschiff, angeschwemmt werweißwoher in diese Ebene, wo vom Meer nur in Geschichten die Rede ist. Es war Sommer, sie hatte wenig Zeit, jetzt arbeitete sie auf den Feldern. In zwei Wochen, zeigte sie mit der Hand. In zwei Wochen solle ich wiederkommen.
    Im Frühling und Sommer warteten die Tagelöhner im Morgendämmer an den Straßenecken auf die Busse, die sie auf die Felder brachten. Männer und Frauen mit morgengrauen Gesichtern rauchten, hielten sich an ihren Klapphockern, Hacken, Jausenbeuteln fest, während es zwischen Erde und Himmel hell wurde. Die Kneipen waren schon geöffnet. Männer saßen an den langen Tischen neben der Durchfahrtsstraße und tranken Bier. Die hellblauen Busse waren so staubbedeckt, dass die Fenster blind waren. Alle paar Kilometer setzten sie eine Gruppe ab. Melonenfelder, Maisfelder, Sonnenblumen, Getreide. In den Pausen hockten die Arbeiter am Straßenrand im Schatten, aßen, rauchten, tranken Bier. Die Melonen keimten unter weißen Tunneln, die sich bis fast an den Horizont zogen. Später verschwanden die Tunnel, und das Geschling von Pflanzenarmen schob sich jeden Tag ein Stück weiter. Die reifen Melonen wurden zu Bergen aufgetürmt. Nach der Ernte breitete sich Leere über die Felder.

STADT
    Auf einem Platz in einer Stadt am Meer sah ich, wie eine Möwe auf eine Taube herabstieß, die in einem Stück Abfall pickte, und sie tötete. Im Verlauf des Kampfes warfen die Vögel mir Blicke zu. Beider Vögel Augen waren gleich dunkel.
    Als die Taube tot war, flog die Möwe davon. Ein Passant schob die tote Taube mit dem polierten Schuh in den gemauerten Wassergraben, der den Platz durchschnitt.
    Ich dachte an die Möwen, die ich in London jeden Tag gehört hatte. Sie kreisten zweimal täglich über meinem Haus und stießen ihre Meeresrufe aus, während die Tauben zu Tausenden in den Ziegelbögen unter den Eisenbahngleisen gurrten. Die Eisenbahn fuhr über den
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