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Ballast oder Eva lernt fliegen

Ballast oder Eva lernt fliegen

Titel: Ballast oder Eva lernt fliegen
Autoren: Mona Jeuk
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vergessen, dass Sonntag ist. Und nichts eingekauft.
    Es macht nichts: Es ist nur ein Tag.

    *

    Boskops Augen, Boskop: Seine Stimme klingt noch immer nach Ballast. Was sagt er? Vorwürfe natürlich. Ganz sicher. Seine traurigen Augen sollen mich täuschen. Ich hatte geglaubt, Sie meinen, was Sie sagen. Vorwurfsvoll. Ist alles nur Theater? Diese Augen, sie saugen sich fest, zerren an mir. Ballast! Er will mich aufhalten. Was sagt er? Ich höre ihn nicht. Ich will ihn nicht hören. Der Berg Kieselsteine neben ihm – er will mich darunter begraben. Ballastberg.

    *

    Verschimmelt. Wie alt ist dieses Brot? Ich habe noch Nüsse. Brot liegt ohnehin so schwer im Magen.

    *

    Das Telefon – klingelingelingelt. Klingelingelingelt. Klingelingelingelt. Klingelingelingelt in meine Meditation.

    *

    Boskops Augen hypnotisieren. Wie die Schlange. Schlange auf einem Berg Kieselsteine. Es ist der Schmerz darin: Seine Schmerzen sind der gefährlichste Ballast.

    *

    Die Hose ist zu weit. Kein Gürtel. Keine Schnur. Aber ein Stück Leintuch, in Schlangen gerissen. Sie sind jetzt überall, die Schlangen.

    *

    Leichter Kopf witzigleicht. Die Erde schwankt schiffern. Ist der schwere Körper: Fußballast – Beinballast – Armballast. Nicht mehr meiner, mein nicht mehr. S’ist an der Zeit: Seele will fliegen.
    S’ist ganz einfach: Kein Wasser mehr. So witzigeinfach. Abwerfen jetzt: !Abwurf! einmal hin, einmal her, einmal Abwurf ist nicht schwer.

    Windflatterndes Kleid. Ist ganz luftigleicht, wird mich begleiten. Spitze / Steine / wollen / Füße aufhalten. Unglückssteine böse, werdet mich nicht halten, wo Kiesel schon zu schwer sind.

    Kalte Füße eiskalt: Gut! Kälte leicht / Wärme schwer. Überall Kälte, mir verbündet, macht meine Knochen leicht die kalte Kälte. Letzter Ballast kaltgestellt.

    / / / Evaruf / Augenballast: Ist das der Gärtner? Der Wind treibt mich weiter. Windbraut bin ich tanz ich siehst du’s? Häuser, die letzten, sie geben mich frei.

    Stoppelfelder Weg Bäume. Wollen auch fliegen: Werfen ihren Ballast ab, ihr Leichtestes: Blätter, Windbräute, streicheln mich. Sie freuen sich mit mir.

    Funkelglitzernder Bach. Kichert mir entgegen. Neben der glucksenden Quelle der Fels. Sonnengelb. Sie feiern mein Glück. Hinauf! Hinauf!

    Kältesteifbeinig: Dann eben nur Schneidersitz. Lotossitz ich lasse dich du bist Ballast mein Lotossitz. Auf dem Dach meiner Welt / wogendes Blättermeer an meinen Küsten / lasse ich Wind und Kälte in mich ein / lasse sie zerren an Haaren und Kleidern. Meine letzte Meditation.

    Wärme
    sickert
    in den kalten Fels
    loslassen jetzt
    fliegen.

    empor gehoben vom wind und: nur noch wind.
    mit allen sinnen wind: röhren / wispern / rauschen / säuseln.
    streicheln / zerren / peitschen / kühlen.
    rein / frisch / feucht / herb.
    wirbelnde blätter bleiben zurück auf dem weg zu den wolken. baumwipfel und krähenschwärme weit unter den nackten füßen. und dann: die wolken durchtauchen / / /

    über den Wolken
    der wind hört auf zu zerren ruhekissensanft legt er sich unter mich trägt mich weich nach oben
    stille
    fühlfrei
    unter mir versinkt das land ins wolkenlose
    spielzeuglandschaft
    musterland
    kontinent
    erdball

    blaue erde im nichts

Epilog

    War da ein Etwas, ein leichtes Gewicht? Legte sich da ein Sehnen auf und um sie? Fragend hielt sie inne in ihrem Aufsteigen und sah zurück. Da öffnete die blaue Erde Augen und Mund und die Erdlippen bewegten sich und sprachen zu ihr. Die Erde rief einen Namen: „Eva!“
    Sie klangen vertraut, die Stimme der Erde und der Name, den sie rief. Winzige Enterhaken an spinnenfeinen Fäden warf sie nach ihr aus, diese Vertrautheit, und hielt dem mächtigen Sog des Nichts ihre sanfte Kraft entgegen. Eva verharrte und lauschte.
    „ Schau, Eva, was ich für dich habe“, sagte die Stimme. Es war die Stimme des Gärtners. Er hatte wieder einen Schatz entdeckt, den er ihr zeigen wollte. Eva schaute. Die Erde wurde hager und bekam freundliche Boskop-Augen. Eva spürte etwas Hartes, Warmes in ihrer Hand und senkte den Blick. Es war ein Kieselstein. Ein weißer Kieselstein. Er fühlte sich gut an in Evas Hand, doch sie wusste, dass sie mit ihm in ihrer Hand nicht weiterfliegen konnte. Ganz sanft zog er an ihr, mehr werbend als fordernd, und Eva ließ es zu. Sie spitzte die Ohren, wollte mehr von der schönen Stimme Boskops hören.
    „ Ich habe ihn in der Hand getragen“, sagte die Stimme, „darum ist er nun so warm.“
    Der Stein und die Wärme
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