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Ballast oder Eva lernt fliegen

Ballast oder Eva lernt fliegen

Titel: Ballast oder Eva lernt fliegen
Autoren: Mona Jeuk
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kann es nicht mehr dauern, bis es hell wird. Auf der Straße ist schon viel Verkehr. Es wird schwieriger, ungesehen zu bleiben.

    Ich muss schlafen. Irgendwo. Bald wird es wärmer werden. Vielleicht eine Lichtung? Nein, der Wald ist nicht dicht genug, und überall Spazierwege.

    Ein Heuschober. Er steht allein. Was kann mir Schlimmeres passieren, als dass ich entdeckt werde? Schlafen! Notfalls lege ich mich daneben ins Gras. Ich muss schlafen.
    Das Schloss ist kaputt, ich kann hinein. Hier haben schon andere übernachtet. Vielleicht heute Nacht. Egal. Es ist Tag, da wird höchstens der Bauer auftauchen.

    *

    Jucken.
    Die Haut juckt, überall. Und Staub verklebt Nase und Augen.
    Aber der Geruch nach Heu ist herrlich.
    Schmale Lichtstreifen, die zwischen Holzlatten hindurch kriechen. Der Heuschober: Ich habe in einem Heuschober geschlafen! Verrückte Welt.
    Jetzt wäre fließend Wasser schön. Egal, ob aus der Leitung oder als kristallklarer Bach. Wie machen die Landstreicher das? Vielleicht gewöhnt man sich an das Jucken und den Staub.

    Sonnenstand: Früher Vormittag kann es nicht sein. Also später Nachmittag. Ich habe gut geschlafen.
    Was nun? Ich muss furchtbar aussehen, so kann ich nicht durch die Straßen laufen. Also warten, bis es wieder dunkel wird.

    Die Äpfel waren noch nicht reif. Diese Bauchschmerzen! Ich werde etwas brauchen, um mich sauber zu machen, wenn es so weit ist. Heu?

    Endlich wieder Nacht. Den Ort kenne ich, von hier aus werde ich nachhause finden. Aber es ist noch weit.

    Der Bach, an dem Christian so gern gespielt hat. Eine halbe Stunde noch. Ich komme in den stillsten Stunden der Nacht, niemand wird mich sehen.

    Klingeln, zum dritten Mal. – : Entschuldigen Sie, ich bin es, Eva Idengart./
    Angst im verschlafenen Gesicht der Nachbarin.
    : Nein, bitte keine Polizei. Es geht mir gut./
    Sie glaubt mir nicht, aber sie lässt mich telefonieren.

    „Ja?“ – Heinrich, schon beim ersten Klingeln. Auch er hatte also Angst. Jetzt nicht mehr, seine Erleichterung springt mir ins Ohr. Arianes Stimme fragt etwas im Hintergrund.

    : Danke!/ für die Tasse Tee. : Mein Bekannter wird gleich da sein. Bitte, legen Sie sich wieder hin. Es tut mir leid, dass ich Sie um Ihren Schlaf bringe./ Sie bleibt sitzen, würde immer noch gerne die Polizei rufen, das sehe ich.

    Bernd. War zu erwarten, dass Heinrich ihn anruft. Egal. Soll er sich seine Sorgen und seine Enttäuschung von der Seele reden.
    „ ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! “
    Im Spiegel: Bin das ich? Eine Halbwilde mit Heu im Haar?
    Bernd hinter mir sieht nicht viel besser aus. Augen in tiefen Höhlen.
    „ ! ! ! ? ? ? ! ! ! ! “
    Es ist gut. Er muss seine Vorwürfe loswerden. Aber bitte im Wohnzimmer.
    Im Lotossitz geht es besser. Jetzt muss er auch auf den Boden, aber ich kann nicht mehr stehen. Er redet und redet und erwartet eine Antwort.
    Wann hört er endlich auf zu reden?
    Meditation. Plötzlich verstehe ich sie ganz.

    Zurück. Und erfrischt. So machen es also die Mönche.
    Wo ist Bernd?
    Quer über dem Bett, unrasiert und in zerknitterten Kleidern. Er sieht so verletzlich aus. Und so lieb. Armer Kerl.

    Kochen. Heute macht es mir Freude. Vielleicht, weil es das letzte Mal ist. Das letzte Mahl.
    Heute macht alles Freude. Ich möchte Singen, aber Bernd schläft noch. Der Arme braucht seinen Schlaf, sicher hat er die letzten zwei Nächte kein Auge zugetan.
    Geräusche im Bad: Jetzt kann ich singen.
    Bernd in der Tür. Ohne Worte. Keine Worte mehr, nach den vielen in den grauen Morgenstunden.
    Seine Lippen sind weich, nur wenig geschützt durch die Bartstoppeln.
    : Essen in zehn Minuten./ Und : Ich werde dich nicht heiraten./

    Er ist gegangen. Heute wird ihm die Arbeit schwer fallen. Armer Bernd.
    Wo ist mein Block? Dies wird meine letzte Liste. Wenn ich fertig bin, wird kein Ballast mehr übrig sein. Ich werde frei sein.

    *

    Geschafft! Jetzt noch die Zimmertür mit Klebeband versiegeln. Ort eines Verbrechens. Gegen die Menschheit. Gegen das Sein.

    Halt: Christian! Ich muss ihm Nachricht geben! Also wieder herunter mit dem Klebeband, alles herunter, dann hinein in den mit Ballast vollgestopften Raum und den PC hochfahren. Es dauert, zu lange. Unerträglich ist dieser Raum geworden! Nur schnell, ich muss hier wieder raus, bevor der Ballast mich erdrücken kann.
    Einundzwanzig neue Nachrichten. Damit ist ab heute Schluss, wozu also diese hier noch lesen? Der Email-Account, überhaupt: die Verträge für Internet und Telefon. Löschen, kündigen,...
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