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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick
Autoren: Die Panik-Macher
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Ayaan Hirsi Ali in Berlin dem, was sie früher geglaubt hatte. «Der
Prophet war im Unrecht, als er gesagt hat, dass Abtrünnige getötet werden
müssen. Er war im Unrecht, als er behauptete, nur auf seinen Ideen könne man
eine gute Gesellschaft aufbauen.» Und so weiter.
     
    Die Verneinung der Politik
     
    Thomas Steinfeld hat den Islamkritikern die Frage
gestellt, was eigentlich aus der These der Unvereinbarkeit von Koran und
Grundgesetz folgt. Wenn sie das in Europa aus den konfessionellen Kriegen
herausgewachsene System der Religionsfreiheit verwerfen, «den Aufstand der
Mehrheit gegen eine Minderheit organisieren wollen und das Ende der Toleranz
für den Islam verlangen - was geschieht dann, ganz praktisch betrachtet»? Eine
Antwort hat Steinfeld nicht erhalten. Die Islamkritik hat keinen Anlass,
Szenarien einer humanistischen Erneuerung des Islam im Bündnis mit solchen
Kräften der weltlichen Klugheit zu entwerfen, wie sie zu den entscheidenden
Trägern der Reformation Luthers und Calvins gehörten. Die Überzeugungskraft
der aufgeklärten Gesellschaft, glaubt man, muss sich nur zur Wirkung bringen.
Der Westen hat die Wahrheit auf seiner Seite, gegen die auch ein seit
anderthalb Jahrtausenden bestehendes System des Rechtslehrertrugs am Ende
nichts wird ausrichten können. Die Islamkritik ist die ins Apokalyptische
gesteigerte Neuauflage der Magnettheorie des Kalten Krieges.
    Hier tritt der religiöse Charakter dieser radikalen
Religionskritik ans Licht. Den Werten der aufgeklärten Gesellschaft wird
ausdrücklich der Status letzter Prinzipien zugesprochen. Es handelt sich um
eine Intellektuellenreligion, die sich einen sozial unschädlichen Glauben nur
denken kann nach dem Modell der komplett vergeistigten Endformen des deutschen
oder amerikanischen Protestantismus, als Spiritualismus der reinen
Innerlichkeit. Jede Akkomodation wird abgelehnt, weil das Grundgesetz selbst
an die Stelle des Korans treten soll. Die Reformation des Islam stellt sich die
Islamkritik als Bekehrung der halben Welt vor. Solche Schwärmerei mag uns
harmlos vorkommen. Seit Oliver Cromwells Zeiten beten schließlich auch die bibelwortgläubigen
Protestanten für die Bekehrung der Juden, um das Ende der Welt zu
beschleunigen. Freilich haben wir davon gehört, dass solche Gebetsintentionen
sich in unserer Zeit mit geopolitischen Interessen verbinden.
    Was geschieht in der Zwischenzeit, während die Auflösung
der Umma, der Gemeinschaft der Gläubigen, auf sich warten lässt? Das ist die
Frage nach dem Umgang mit den Muslimen, die vor der Botschaft der Islamkritik
die Ohren verschließen. Mit Verachtung wird von den Islamkritikern überzogen,
wer es an Zorn und Eifer für die aufgeklärte Sache fehlen lässt. Sie richten
sich im Meinungskampf nach dem heiligen Wort aller Proselytenmacher: Die Lauen
werde ich ausspeien. Als kleinmütig werden von der critica
militans einfachste Klugheitserwägungen abgetan, so der Hinweis auf
die Grenzen der Durchsetzbarkeit von Zwangsmaßnahmen, die auf die Köpfe zielen.
Die Buße für die Übertretung eines Anti-Burka-Gesetzes kann die Adressatin des
Verbots vermeiden, indem sie die Burka ablegt. Oder indem sie die Wohnung nicht
mehr verlässt.
    Henryk M. Broders Formel «Hurra, wir kapitulieren» ist
eine der erfolgreichsten Erfindungen der Islamkritik. Der Witz ist, dass sich
schon des Defätismus überführt, wer sich die zaghafte Rückfrage gestattet, ob
wir uns wirklich im Krieg gegen den Islam befinden. Das Politische im
politischen Diskurs, den die Islamkritik betreibt, bezeichnet den Bezug auf
diesen Endkampf zwischen Aufklärung und Finsternis. Unerwünscht ist das
Politische im zivilgesellschaftlichen Sinne des Erkundens von Zwischenlösungen,
Spielräumen und Arrangements auf Zeit. An dieser Unduldsamkeit gegenüber dem
Zweifel im eigenen Hinterkopf erkennt man den Fanatismus. Der Druck im Kessel
muss künstlich konserviert werden, sonst geht die existenzielle Dringlichkeit
flöten. Wer die Intoleranz zur Doktrin erhebt, setzt sich selbst unter
Zugzwang. Was soll denn nun aus Ralph Giordanos Einsicht folgen, dass ein
aufrichtiger Muslim sich entscheiden muss, dass er entweder dem Koran gehorchen
kann oder dem Grundgesetz? Thomas Steinfeld hat einige Maßregeln zur Diskussion
gestellt: «Ausweisung aller bekennenden Muslime nach Asien oder Afrika?
Einrichtung von Ghettos innerhalb Deutschlands? Oder eine gigantische
Umerziehung nach dem Modell der Entnazifizierung, eine Zwangsbekehrung
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