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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick
Autoren: Die Panik-Macher
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der
Konfessionsschule in die Gemeinschaftsschule. Aber jetzt, da die im Grundgesetz
stehende Gleichberechtigung der Religionen dem Islam zugute kommen soll, wie es
sich aus Wortlaut und Sinn der Glaubensfreiheit wohl zwingend ergibt, ist man
irritiert; man meint, die historische Identität Deutschlands als eines christlichen
Landes müsse auch in den Verbindlichkeiten des geltenden Rechts zum Ausdruck
kommen. In diesem Sinne erklärte der Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van
Eist, in seiner Replik auf den Bundespräsidenten, die Zeit sei noch nicht reif
für die Gleichberechtigung des Islam. Das wichtigste Beweisstück für die
bischöfliche These von der Verbindlichkeit christlicher Verhaltenslehren auch
für nichtchristliche Bürger sollten «unsere Rechtsstaatlichkeit und Rechtsauffassung»
sein, die sich «einem christlichen Menschenbild» verdankten.
    Dass islamische Neubürger in den Quellen ihres Glaubens
analoge anthropologische Gründe für ein positives Verhältnis zu unserem Recht
finden könnten, zog Tebartz-van Eist in Zweifel. «Nach wie vor ist die Frage
nach dem Verhältnis des Islam zu den universalen Menschenrechten und zu unserem
Rechtsstaat weithin ungeklärt.» Das hielt dem Islam der Amtsträger einer Kirche
vor, die fast zweitausend Jahre alt ist und ihr eigenes Verhalten zu den
universalen Menschenrechten genau fünf und vierzig Jahre vor dem «Focus»-Artikel
des Bischofs geklärt hatte, mit der Verabschiedung der Pastoralkonstitution
«Gaudium et spes» am letzten Sitzungstag des Zweiten Vatikanischen Konzils. Der
evangelische Theologe Friedrich Wilhelm Graf hat daran erinnert, dass man die
Menschenrechte auch im Protestantismus bis weit in die fünfziger Jahre hinein
als «liberalistische Verirrung des modernen Menschen» ansah. Im
Missbrauchsskandal hatte es die katholischen Bischöfe noch erhebliche Mühe
gekostet, den Eigensinn weltlicher Rechtsverfahren und das Interesse der Mitbürgerschaft
an institutioneller Transparenz anzuerkennen. Darüber, wie eine Religion sich
durch die subtilen Zwänge permanenter Reibung mit der weltlichen
Öffentlichkeit öffnet und wandelt, könnten Katholiken Muslimen jedenfalls viel
erzählen.
    Papst Leo XIII., der die katholische Soziallehre zum
Programm erhob, hatte Glaubens-, Rede-, Lehr- und Pressefreiheit mit der
Begründung verworfen, es widerspreche der Vernunft, « dass das Falsche gleiches
Recht haben soll wie das Wahre». Die Diskussion um die Priesterbruderschaft
St. Pius X., die an dieser Lehre festhält, hat uns, wie der katholische
Staatsrechtler Christoph Möllers in der Islam-Debatte des Deutschen
Juristentags anmerkte, «das Phänomen des Verfassungsfeindes aus christlicher
Überzeugung in bedauerlicher, aber eben auch aufschlussreicher Art und Weise
vor Augen geführt». Dem Heidelberger Völkerrechtler Karl Doehring, der die
gesamte Geschichte der Bundesrepublik als scharfzüngiger Kommentator begleitet
hat, ist dieses Phänomen entfallen. In einem Aufsatz für die «Frankfurter Allgemeine
Zeitung» behauptete er, ein muslimischer Religionslehrer könne nicht
verfassungstreu sein. Hingegen sei «mit Recht bisher nicht behauptet worden,
dass die christliche Religionsvermittlung mit dem Grundgesetz in Konflikt
kommen könnte». So hat die Schärfe der Islamdebatte einen Grund darin, dass
den Leitkulturschützern nicht mehr präsent ist, welche Gehorsamsforderungen der
christliche Gott erhebt.
     
    Der Wertediskussion fehlt die Phantasie
     
    Selbst ein hochgelehrter Islamwissenschaftler wie Tilman
Nagel hat einen erstaunlich simplen Begriff von der eigenen Kultur. Seine
These, Muslime, die aus der Heilsbotschaft des Korans die gebotenen Konsequenzen
zögen, müssten im Westen Fremde bleiben, hat zwei Seiten. Sie ist ein Argument
über den Koran und setzt zugleich ein bestimmtes Bild des Westens ohne weiteres
voraus. Nach Nagel stoßen Muslime in unseren Breiten auf «eine Gesellschaft,
die eine im Glauben begründete Bindung des Menschen allenfalls als eine Art
der individualistischen Selbstverwirklichung, nicht aber als eine über das
Individuum hinausgreifende Verpflichtung auf ein gottgewolltes Gesetz gelten
lässt». Nicht nur die Pius-Brüder werden sich hier nicht wiederfinden. Die
Lehre der katholischen Kirche steht ebenso im Widerspruch zu diesem Bild wie
der eminente Einfluss der protestantischen politischen Theologie auf die
verschiedensten sozialen Bewegungen.
    In seiner Antwort auf den Bundespräsidenten stellte
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