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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick
Autoren: Die Panik-Macher
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mich um die
vorletzten Dinge. Den Satz «Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen» kann
er nicht preisgeben, und er kann nicht sicher sein, dass er sich nie zwischen
der Treue zu Gott und der Loyalität zum Staat wird entscheiden müssen, obwohl
die Staaten heute verkünden, dass sie nichts anderes im Sinn haben als die
Durchsetzung der allgemeinen Menschenrechte. Die Auffassung, dass der Staat das
Höchste ist und es für den Frommen nie eine Gewissenspflicht zum Widerstand
geben kann, haben in Deutschland zuletzt die Deutschen Christen vertreten. Für
Neda Kelek ist der Vorrang des Staates selbstverständlich - nicht nur auf dem
Boden des weltlichen Rechts, sondern auch im Identitätsmix der Menschen. Sie
meinte, den katholischen Bundespräsidenten bei einer Ungeheuerlichkeit erwischt
zu haben. In Wahrheit steht sie auf einem exzentrischen Standpunkt, bewertet
sie die religionspolitischen Dinge von einer Warte, auf der ihr allenfalls die
paar verbliebenen Staatsgläubigen unter den organisierten Freidenkern
Gesellschaft leisten werden. Ihre Basis ist der dogmatische Kemalismus.
    Neda Kelek wird nicht müde, das Land zu loben, für das sie
sich in freier Wahl entschieden hat, nachdem ihre Eltern sie hierher gebracht
hatten. Dieses gelobte Land, ihr Deutschland, ist für sie die bessere Türkei.
Was Atatürk nur versprochen hat, eine weltliche Ordnung, die die ungeteilte
Liebe und den letzten Einsatz der Bürger verdient, ist hier Wirklichkeit
geworden. Auf der vorletzten Seite von «Die fremde Braut» schreibt Neda Kelek:
«Ich bin in diesem Land angekommen, schätze seine Verfassung, habe einen
deutschen Pass und glaube an die frohe Botschaft der Freiheit.» In ihren
Büchern, Artikeln, Reden und Interviews verkündet sie dieses Evangelium.
     
    Die neue soziale Frage
     
    Als die Öffentlichkeit im Laufe des neunzehnten
Jahrhunderts entdeckte, dass in den Fabrikstädten eine Bevölkerung
herangewachsen war, die in jämmerlichster materieller und moralischer Not
dahinvegetierte, wurde die Zivilisierung dieser verelendeten Massen als zivilgesellschaftliches
Projekt in Angriff genommen - im Wettbewerb der Institutionen, die sich zur
Erziehung zur Selbsthilfe berufen glaubten. Die Kirchen nahmen sich vor, die
Proletarier noch einmal zu christianisieren. Die Arbeiterbewegung gründete
Häuser der Arbeiterbildung, in denen gelehrt wurde, dass es keinen Gott gebe
und keinen Grund, Priestern zu gehorchen. Die Christen beschimpften die
Atheisten als Lehrer der Unmoral. Die Atheisten beschimpften die Christen als
Prediger des falschen Trostes. Beide Seiten versuchten den Staat für ihre
Kampagne zu gewinnen. Im Ergebnis wurde die Konkurrenz nicht unterbunden. Alle
Erzieher wurden gebraucht. In den von der Industrie geräumten Großstädten, in
Vierteln, denen zunächst die Einheimischen den Rücken kehren und dann
diejenigen Eingewanderten, die es sich leisten können, stellt sich heute eine
neue soziale Frage. Die Islamkritik warnt vor jeglicher Kooperation mit den
Dienern der Religion, zu der sich die Mehrheit der Bewohner in den vom Verfall
der Sozialität betroffenen Quartieren bekennt. Alle Disziplin, die sich durch
Koranstudium und Moscheebesuch einüben und verinnerlichen ließe, wäre zu teuer
erkauft. Je ernster die Einschätzung der Lage, die man für richtig hält, desto
genauer sollte man sich überlegen, ob die Warnungen der Islamkritik plausibel
sind. Die Schriftstellerin Monika Maron hat hinter der Kritik der Islamkritik
«das Interesse all derer» ausgemacht, «die einen größeren Einfluss der Kirchen
wünschen, denen der Säkularismus nicht erstrebenswert ist». Aber wo Alphabetisierungsmaßnahmen
davon abhängig gemacht werden, dass die Adressaten sich zum Säkularismus
bekehren, verfolgt die Religionskritik ein sektiererisches Privatinteresse.
Wenn die Integrationsprobleme so gravierend sind, wie die Islamkritik
behauptet, dann ist die Islamkritik ein Luxus.
    Michael Bertrams, der Präsident des
Oberverwaltungsgerichts und des Verfassungsgerichtshofs in Münster, ist nach
seinem vielbeachteten F.A.Z.-Beitrag zum Karlsruher Kopftuchurteil noch einmal
als Islamkritiker hervorgetreten. In einem Vortrag legte er 2009 dar, das
Grundgesetz verpflichte den Staat, nur mit solchen Religionsgemeinschaften zu
kooperieren, die die Grundlagen der freiheitlichen Ordnung «vorbehaltlos
bejahen und stärken». Das seien in erster Linie die beiden großen Kirchen,
deren «christlich-jüdisches Menschenbild» dem
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