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Autobiografie einer Pflaume - Roman

Titel: Autobiografie einer Pflaume - Roman
Autoren: PeP eBooks
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kitzelt es im Hals.
    Und die Dame nimmt den Koffer und dreht sich zu mir um.
    «Komm, Icare, du hast sicher Hunger.»
    Und ich sage nein, und sie legt mir die Hand auf die Schulter, und wir steigen die Treppe hinauf.

Seit fast drei Monaten macht Ahmed ins Bett und will jeden Morgen von Rosy wissen, ob sein Papa ihn besuchen kommt.
    Simon, der immer über alles Bescheid weiß, sagt, dass Ahmeds Papa an dem Tag kommen wird, an dem er aus dem Gefängnis ausbricht, und Rosy schaut ihn mit ihren großen Augen an, und Simon hält die Luft an und verlangt von Rosy, dass sie ihm die Schnürsenkel seiner Turnschuhe zubindet, die immer runterhängen.
    Rosy sagt:«Vor mir brauchst du dich nicht aufzuplustern.»
    Ahmed, Simon und ich wohnen im selben Zimmer.
    In der ersten Nacht hat Simon zu mir gesagt, ich wäre für mindestens drei Jahre dran, und ich wäre gut beraten, ihm beim Frühstück die Brote zu schmieren, weil er mir sonst das Leben zur Hölle machen würde.
    So ist er immer,«plustert sich auf», renommiert vor den anderen, aber wenn man ein bisschen lauter wird, dann ist er sofort ganz zahm.
    Am ersten Morgen habe ich ihm das Brot geschmiert und habe es ihm dann ins Gesicht gedrückt, und er hat mich an den Haaren gepackt und ich ihn auch, und Rosy hat uns getrennt mit ihren großen Augen und ihrem:«Hier macht ihr das nicht, oder ihr werdet beide bestraft», und Ahmed hat geheult, weil er immer denkt, er hätte etwas angestellt, und ab und zu nutzen Simon und ich das aus und verpetzen ihn, auch wenn er es gar nicht war.
    Seit der Sache mit dem Brot lässt Simon mich in Ruhe, und ich mache ihm einen Doppelknoten in seine Schnürsenkel, wie ich es von Mama gelernt habe, und abends muss Rosy den Knoten lösen, weil Simon, wenn er dürfte, mit seinen Turnschuhen ins Bett gehen würde in dem Haus, das er unter uns den Knast nennt.
    Wir anderen nennen es das Heim, und Madame Papineau,
die Leiterin oder Direktorin, hört das gar nicht gern. Sie zieht«Gästehaus»oder«Les Fontaines»vor.
    Wenn man eine Dummheit macht, wird man bestraft. So etwas nennt sich Arbeit für das Gemeinwohl.
    Man muss welkes Laub unter den Bäumen aufsammeln oder Wäsche aufräumen, und die Megastrafe, die besteht darin, die Treppe zu bohnern, die voll mit Staub ist, und zwar beide Etagen.
     
     
    Morgens weckt uns Rosy um sieben Uhr mit ihren Küssen und lässt uns dann noch fünf Minuten im Dunkeln weiterschlafen und macht das Licht an, und wir ziehen uns leise die Sachen an, die wir am Abend vorher rausgelegt haben, damit wir die Kleinen nicht wecken, die eine halbe Stunde länger schlafen dürfen. Rosy wechselt Ahmeds Bettwäsche, und Ahmed schnieft, und danach frühstücken wir in unserer Küche, wo schon alles vorbereitet ist. Es riecht nach Kakao und getoastetem Brot, und wir müssen nur noch Butter und Marmelade drauftun.
    Julien, ein dicker Blonder, den alle Jujube nennen, isst Müsli mit Milch aus einer großen Schüssel, weil seine Mama auf einer Postkarte aus Peru geschrieben hat, dass das«gesund»ist. Seitdem hat sie nichts mehr von sich hören lassen, und Jujube hat die Karte immer in der Tasche, zusammen mit seinen Plätzchen, eine ganz verknitterte und verfleckte Postkarte, auf der nichts mehr zu entziffern ist.
    Simon sagt, dass Peru für Jujubes Mama gesund sein mag, aber nicht für Jujube, der dauernd auf der Krankenstation ist, weil er Bauchweh oder Kopfschmerzen oder Herzbeschwerden hat, und manchmal macht Rosy ihm ein Pflaster um den Finger, und dann geht es Jujube sofort besser, und er zeigt uns seinen kranken Finger, an dem er gar nichts hat.
    Nach dem Frühstück helfen wir Rosy beim Aufräumen, alle
bis auf Alice, der die langen braunen Haare ins Gesicht hängen und der immer eine Schüssel oder ein Glas aus den Fingern gleitet, und danach bleibt sie stocksteif stehen, und Rosy sagt:«Ist doch nicht schlimm, mein Herz», und Alice hält sich die Arme vors Gesicht, als hätte sie Angst, dass Rosy sie schlägt.
    Beim Frühstück sitzt Alice oft bei Rosy auf dem Schoß und lutscht Daumen, und mehr als das und ihre langen braunen Haare, die ihr Gesicht verdecken, sieht man nicht. Reden tut sie nicht viel, und Simon sagt, dass ihre Mama viel trinkt und ihr Papa auch und dass sie von ihnen verprügelt worden ist und an der Heizung festgebunden, und ich denke mir, dass ihr Papa sicher ein Frauenmörder ist, der Blondinen umlegt, so wie im Fernsehen.
    Danach waschen wir uns, und Rosy kontrolliert, ob wir uns wirklich die
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