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Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Titel: Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
Autoren: Marian Keyes
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Gezänk ausgewachsen, bei dem Anschuldigungen, dass der eine farbenblind und der andere überempfindlich sei, hin und her flogen.
    (Garv: »Was ist so schlimm daran, dass er braun ist?«
    Ich: »Alles! Er ist nicht braun, er ist dunkellila, und du bist farbenblind, du Idiot!«
    Garv: »Hör zu, es ist doch nur ein Rock. Und ich habe nur gesagt, es überrascht mich, dass du einen braunen kaufst.«
    Ich: »Aber ich habe keinen BRAUNEN gekauft. Er ist DUNKELLILA!«
    Garv: »Du bist viel zu empfindlich.«
    Ich: »Das bin ich NICHT. Ich würde NIE einen braunen Rock kaufen. Du hast ja keine Ahnung von mir.«)
    Damals dachte ich, ich würde ihm nie verzeihen. Ich hatte mich geirrt. Doch diesmal war es anders, dessen war ich mir, so schrecklich es war, ganz sicher.
    In der Mittagspause hatte ich einfach nicht die Kraft, mich der dringend zu erledigenden Sachen auf meinem Schreibtisch anzunehmen, und ging auf der Suche nach Trost in die Grafton Street. Trost in Form von Geldausgeben – so wie immer. Ohne rechte Begeisterung kaufte ich eine Duftkerze und eine ziemlich billige (relativ gesehen) nachgemachte Gucci-Handtasche. Doch beides konnte die Leere in mir nicht füllen. Dann ging ich in eine Apotheke, um Schmerztabletten für meinen Zahn zu kaufen, und wurde von einer Frau in weißem Kittel und mit orangefarbenem Gesicht angesprochen, die mir erklärte, wenn ich zwei Clarins-Produkte kaufte – davon einen Hautpflegeartikel  –, würde ich ein Geschenk bekommen. Lustlos zuckte ich die Achseln. »Meinetwegen.«
    Sie traute ihrem Glück kaum, und als sie mir das teuerste Produkt empfahl – ein winziges Fläschchen mit Serum –, zuckte ich wieder teilnahmslos die Achseln und sagte: »Von mir aus.«
    Die Vorstellung, etwas geschenkt zu bekommen, gefiel mir; es war ein sehr tröstlicher Gedanke. Doch als ich wieder im Büro war und das Geschenk auspackte, war es weit weniger aufregend, als es auf dem Bild ausgesehen hatte: Lidschatten in einer komischen Farbe, eine winzige Mini-Miniaturtube mit Grundierungscreme, vier Tropfen Augenbalsam und ein fingerhutgroßes Fläschchen mit einem essigsauer riechenden Parfum.
    Enttäuschung breitete sich in mir aus, und als sich meine Gefühlslage unerwartet ein bisschen normalisierte, bekam ich Gewissensbisse, die im Verlauf des Nachmittags immer größer und heftiger wurde. Ich musste aufhören, so viel Geld auszugeben . Also ging ich, sobald ich mit Anstand das Büro verlassen konnte, zurück in die Grafton Street, um die Handtasche umzutauschen – die Clarins-Sachen konnte ich nicht zurückgeben, weil ich mein Geschenk schon aufgemacht hatte –, aber statt des Geldes bekam ich nur einen Warengutschein. Und bevor ich wieder beim Auto war, fiel mein Blick in der Auslage eines Schuhgeschäfts auf ein Paar gelbgeblümte Sandalen, und als wäre ich nicht richtig bei Sinnen, stand ich schon im Laden, reichte meine Kreditkarte über die Ladentheke und
war noch einmal dreißig Pfund los. Man sollte mich nicht auf die Straße lassen.
     
    An dem Abend ging ich zu einer Party mit Kollegen und tat das, was ich sonst bei solchen Partys nie machte – ich betrank mich. Ich war so betrunken, dass ich Stuart Keating, dem ich auf einem meiner häufigen Gänge zur Toilette begegnete, wüst zu beschimpfen begann. Stuart arbeitete in einer anderen Abteilung und war immer freundlich zu mir, und ich sehe noch die Überraschung auf seinem Gesicht, als ich auf ihn losging. Im nächsten Moment küssten wir uns, aber nur eine Sekunde lang, dann machte ich mich von ihm frei. Was tat ich nur?
    »Entschuldigung«, rief ich und kehrte, über mich selbst entsetzt, in den Partyraum zurück, nahm mein Jackett und ging, ohne mich zu verabschieden. Von der anderen Seite des Raums beobachtete Frances mich mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck.
    Als ich nach Hause kam, saß Garv wie ein besorgter Vater kerzengerade da und wartete auf mich. Er versuchte, mich in ein Gespräch zu verwickeln, aber ich brabbelte betrunken, ich müsse jetzt schlafen, und taumelte ins Schlafzimmer; Garv kam hinter mir her. Ich zog mich aus, ließ meine Sachen zu Boden fallen und kroch ins Bett. »Hier, trink ein bisschen Wasser«, hörte ich Garv, der ein Glas mit einem Klirren auf dem Nachttisch absetzte. Ich ignorierte es und ihn, doch als ich gerade in das barmherzige Schlafreich des Vergessens tauchen wollte, fiel mir ein, dass ich meine Kontaktlinsen noch nicht rausgenommen hatte. Ich war zu müde oder zu betrunken, wie
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