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Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Titel: Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
Autoren: Uli Burchardt
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hinweg. Wenn auch die Deutschen aus guten Gründen nicht überall in der Welt beliebt waren, so genossen doch ihre Produkte einen herausragenden Ruf.
    Heute verwässert sich das gezwungenermaßen, denn »Made in Germany« ist immer seltener eine wahre Aussage. Selbst so urdeutsche Unternehmen wie Volkswagen oder Porsche erbringen oft nicht einmal mehr die Hälfte der Wertschöpfung selbst, der Rest wird aus anderen Ländern zugekauft. Immer häufiger lautet das Siegel darum »Made in EC«, »Engineered in Germany« oder »Designed and developed in Germany«, denn hergestellt werden die Produkte dort, wo es billiger ist als in Deutschland.
    Trotzdem: Unser Wohlstand, insbesondere seit dem letzten Weltkrieg, basiert auf dem Export von Waren und Maschinen in die ganze Welt. Dieser Exporterfolg basiert auf dem guten Ruf der Produkte. Und der gute Ruf basiert auf der überlegenen Qualität deutscher Produkte.
    Das gilt zum Beispiel für die Automobilindustrie, den mit Abstand größten Industriezweig Deutschlands. Gute Autos, ja, das wissen wir zu schätzen, darum geben wir auch vergleichsweise drastisch viel Geld aus, um ein Auto aus Wolfsburg, Ingolstadt, München oder Stuttgart zu fahren. Wir haben Benzin im Blut und sind stolz auf unsere Michael Schumachers und Sebastian Vettels, wir haben die Ingenieurs-DNA in den Genen und erfreuen uns an Perfektion, Präzision und Funktionalität. Da wird nicht gespart!
    Genauso bauen wir auch unsere Häuser. Ein Amerikaner möchte ein Haus, das ein paar Jahrzehnte gut aussieht, dann wird es abgerissen und ein neues hingestellt. Dementsprechend besteht so ein amerikanisches Haus vornehmlich aus Holz, Pappe und Farbe. Wir hingegen haben den Drang, Stein auf Stein für die Ewigkeit zu bauen, mit einem Dach, das Tornados standhielte, mit Mauern, die einem Erdbeben der Stärke 8,0 trotzen würden, auch wenn unsere Tornados eher Windhöschen sind und das stärkste je gemessene Erdbeben auf deutschem Boden am 18. Februar 1756 in Düren lediglich einen Kirchturm, eine Stadtmauer, ein paar Häuser und Schornsteine beschädigte. Trotzdem: Wir Deutschen bauen mit jedem Einfamilienhaus wahre Bollwerke im Kampf gegen Erosion und Erschütterung, in der Hoffnung, dass kommende Zivilisationen unsere Häuser aus dem Schutt der Jahrhunderte graben werden und darin noch gemütlich wohnen werden können, wenn sie wollen.
    So ein Stück deutsche Bausubstanz kostet dann eben mal schlappe 300 000 Euro, und dafür sind wir auch gerne bereit, uns ein Leben lang zu verschulden. Ganz schön verrückt, wir Deutsche, jedenfalls sieht das in Bezug auf Autos und Häuser für den Rest der Welt so aus.
    Was man uns aber nicht absprechen kann: Ganz offensichtlich haben wir einen Sinn für Qualität und sind in der Lage, dieser Produkteigenschaft besondere Wertschätzung beizumessen. Das entspricht auch unserem Selbstverständnis. Wenn wir uns befragen lassen, dann sagen wir, dass uns Nachhaltigkeit, Regionalität, Bio, Fairness gegenüber den Lieferanten, Umweltfreundlichkeit und so weiter besonders wichtig sind. Für Produkte aus Fernost haben wir nur Geringschätzung übrig.
    Das ist die eine Seite.
    Aber dann gehen wir hin und kaufen ein Schweinenackensteak für 2,88 Euro das Kilo, eine Winterjacke für 19,90 oder ein Billy-Regal für 29 Euro. Letzteres ich übrigens auch. Wir predigen »Made in Germany« und kaufen »Made in China«. Massenweise. Wir kaufen ein Auto für 50 000 Euro und parken damit auf dem Parkplatz vor dem Lidl-Aldi-Penny-Netto. Und wir kaufen dort wässrige Tomaten dürftiger Qualität, die 2000 Kilometer entfernt im spanischen Almería auf Nährsubstrat im Monstergewächshaus gezogen und von bettelarmen, marokkanischen Tagelöhnern ohne Aufenthaltserlaubnis geerntet worden sind.
    Das ist die andere Seite.
    Wenn wir qualitätsbewusst sind, dann sind wir extrem. Dann geben wir ein Vermögen aus. Wir wollen nur das beste, koste es, was es wolle. Xenon-Scheinwerfer für 2500 Euro Aufpreis? Her damit!
    Wir können aber auch anders: Wenn wir preisbewusst sind, dann sind wir ebenfalls extrem. Dann geht uns die Qualität am Allerwertesten vorbei, dann kaufen wir den größten Ramsch, Hauptsache, wir lassen uns nicht nachsagen, wir hätten einen Cent zu viel ausgegeben, denn wir sind doch nicht blöd! Oder?
    Uns fehlt als Konsumenten die gesunde Mitte, das Sowohl-als-auch. Wir können nur Entweder-oder: entweder herausragendes Produkt oder billigster Preis. Als ob wir nur vom einen Modus in den
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